Lena Stehr

Digitalisierte Inklusion 

Menschen mit Behinderungen sollen am Arbeitsleben größtmögliche Teilhabe erreichen. Dabei könnte auch die Digitalisierung helfen. In den Werkstätten in der Region spielt sie bisher aber kaum eine Rolle.
Mit Augmented Reality auf den ersten Arbeitsmarkt

Mit Augmented Reality auf den ersten Arbeitsmarkt

Bild: Foto: deposit/photographee.eu

Wie kann die Digitalisierung die Arbeitsbedingungen von Menschen mit Behinderungen in Werkstätten verbessern und ihnen vielleicht sogar dabei helfen, auf dem ersten Arbeitsmarkt besser Fuß zu fassen? Darum ging es unter anderem beim Werkstätten:Tag 2022, dem Bundeskongress der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM), der in der letzten Woche von Dienstag, 32. Mai, bis Donnerstag, 2. Juni, in Saarbrücken stattfand.
Im Rahmen der Ausstellung „Digitaler Wandel in Werkstätten“ wurde dort ein personalisierbares Augmented-Reality-basiertes Assistenzsystem für Menschen mit Behinderungen vorgestellt. PARTAS soll in Zukunft Montageabläufe in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen unterstützen, indem es Instruktionen derart intuitiv darstellt, dass Menschen mit vielfältigen Einschränkungen diesen selbstständig folgen können.
Zu den rund 700 Mitgliedswerkstätten der BAG WfbM, in denen rund 320.000 Erwachsene mit Behinderungen beschäftigt sind, zählt auch die Martinshof Nord gGmbH in Osterholz-Scharmbeck, die mit einer kleinen Deligation am Werkstätten:Tag 2022 teilgenommen hat.
 
Mit Softwaresystemen selbstständiger arbeiten
 
Produktionsleiter Helge Giepz sieht in Softwaresystemen wie PARTAS eine tolle Chance für Werkstatt-Beschäftigte, selbstständiger zu arbeiten. Wenn die Mitarbeitenden zum Beispiel per Kamera den nächsten Arbeitsschritt gezeigt bekommen und auch noch bei der Endkontrolle unterstützt werden, sei das doppelt effektiv. „Die Kollegen werden entlastet, weil weniger Rückfragen von den Beschäftigten kommen, und die Beschäftigten fühlen sich in ihrer Arbeit aufgewertet, weil sie mehr alleine schaffen“, sagt Giepz.
Und wie digital ist der Martinshof jetzt schon? „Wir wollen in diesem Jahr freies WLAN für alle und eine Werkstatt-App einführen“, berichtet der Produktionsleiter. Mithilfe der internen App, die am PC und am Smartphone genutzt werden kann und über ein Vorleseprogramm verfügt, sollen beispielsweise Unterweisungen, Mitteilungen und Speisepläne übermittelt werden. Außerdem soll die Anzahl der Bildschirmarbeitsplätze erhöht werden. Derzeit gibt es im Berufsbildungsbereich nur einen für neun Personen.
 
Werkstätten müssen digitaler werden
 
In den Werkstätten der Lebenshilfe Bremervörde/Zeven, in denen rund 330 Menschen beschäftigt sind, werden derzeit nur sporadisch digitale Hilfsmittel wie bestimmte Seh- oder Lesehilfen genutzt, erklärt der pädagogische Werkstattleiter Malte Holsten. Die Werkstätten müssten grundsätzlich digitaler werden, auch um den Ansprüchen der Beschäftigten gerecht zu werden, so Holsten.
Für mehr Teilhabe am Arbeitsleben startet jetzt ein neues digitales Video-Format des Lebenshilfe-Fachdienstes für berufliche Teilhabe. Einmal im Monat sollen Beschäftigte vorgestellt werden, die auf den sogenannten Außenarbeitsplätzen tätig sind. Ziel dabei sei auch, über die proaktive Ansprache von Unternehmen zu erreichen, dass Menschen mit Behinderung einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt finden.
 
Auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen
 
Dabei könnten auch Systeme wie PARTAS eine Rolle spielen, sagt Christiane Stöckler von der EUTB (Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung) in Lilienthal. Viele Betroffene wüssten leider gar nicht, dass es durchaus Alternativen zu einem Job in einer Werkstatt gibt, sagt die Psychologin, die gemeinsam mit ihrem Team kostenlos rund um das Thema Behinderung und Pflege berät und begleitet.
Und viele Arbeitgeber wüssten nicht, dass sie durch das mit dem Bundesteilhabegesetz 2018 eingeführte Budget für Arbeit und Ausbildung die Personalkosten erstattet bekommen, wenn sie einen Menschen mit Behinderung einstellen. Würden dann noch Systeme wie PARTAS in den Unternehmen zum Einsatz kommen und als Hilfsmittel zugelassen (so wie Lesehilfen für Computer), würden viel mehr Menschen mit Behinderung den Weg auf den ersten Arbeitsmarkt finden, ist Stöckler überzeugt. Sowohl Betroffene als auch Arbeitgeber müssten bloß den Mut haben, diese neuen Wege auch zu gehen.
 
 
www.teilhabeberatung-osterholz.de
www.eutb-row.de
www.lebenshilfe-bremervoerde.de


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