Lena Stehr & Jörg Monsees

Drohen kalte Küchen?

Die Mehrwertsteuer für Speisen soll am 1. Januar 2024 wieder von 7 auf 19 Prozent steigen. Die Stimmung in der Gastronomie ist angespannt.

 

Gastro-Branche kämpft mit steigenden Kosten und Personalmangel

Gastro-Branche kämpft mit steigenden Kosten und Personalmangel

Bild: Freepik

Die Ampel-Regierung hat im Zuge ihrer Haushaltsberatungen am vergangenen Donnerstag, 16. November, beschlossen, dass die in der Coronakrise eingeführte Absenkung der Mehrwertsteuer auf Speisen nicht verlängert, sondern ab 1. Januar 2024 wieder auf 19 Prozent angehoben werden soll. Die Stimmung in der Gastro-Branche ist angespannt, denn schon jetzt kämpfen Gastwirtinnen und Gastwirte mit steigenden Preisen und Personalmangel. Mehr als zwei Millionen Menschen sind laut DEHOGA Bundesverband im Gastgewerbe beschäftigt. Während die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) auf ihrem Gewerkschaftstag in Bremen gerade eine neue Lohn-Debatte angestoßen hat und insbesondere den „Hilfskräfte-Schub“ in der Hotellerie und Gastronomie kritisiert, gehen Gastwirtinnen und Gastwirte angesichts der geplanten Anhebung der Mehrwertsteuer auf Speisen von 7 auf 19 Prozent ab Januar 2024 auf die Barrikaden - viele fürchten um ihre Existenz.

 

Mehr Hilfskräfte im Gastgewerbe

 

Gut 10 Millionen Menschen arbeiten derzeit nach Angaben der NGG für einen Stundenlohn bis 14 Euro. Für ein „armutsfestes Leben im Alter“ sollten Beschäftigte heute aber mindestens 16,50 Euro verdienen. Doch viele Arbeitgeber in der Hotellerie und Gastronomie betrieben laut der Gewerkschaft immer noch Tarif-Flucht und verlören so wichtige Fachkräfte.

„Hotels, Restaurants und Gaststätten versuchen, den massiven Verlust von sozialversicherungspflichtig beschäftigten Fachkräften durch Mini-Jobber und angelernte Teilzeitkräfte aufzufangen“, sagt die stellvertretende Vorsitzende der NGG, Claudia Tiedge. So habe sich die Zahl der Hilfskräfte in den vergangenen vier Jahren von 242.000 auf 480.000 nahezu verdoppelt. „Den Betrieben rutschen die Belegschaften weg - und damit die Fachkräfte. Aber auch angelernte Kräfte werden weggehen“, so Tiedge. Das Gegenmittel seien attraktivere Jobs mit attraktiveren Löhnen.

Scharfe Kritik übt die NGG an „schwarzen Schafen unter den Arbeitgebern“: So habe die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls im ersten Halbjahr dieses Jahres 78.340 Ermittlungsverfahren eingeleitet. 11.570 Fälle davon wurden in der Gastronomie und im Beherbergungsgewerbe registriert. Dazu kämen 510 Mindestlohn-Verstöße.

 

DEHOGA warnt vor Preisschock

 

Der Bundesverband der DEHOGA warnt in Anbetracht der Rückkehr zu 19 Prozent auf Speisen im Restaurant gleichzeitig vor einer drohenden Katastrophe für die Betriebe und einem Preisschock für die Gäste. Die im Zuge der Coronakrise eingeführten 7 Prozent hätten den Betrieben die Spielräume gegeben, Personalkostensteigerungen von über 20 Prozent teilweise aufzufangen, heißt es vom DEHOGA Bundesverband.

Die Kosten für Nahrungsmittel und Personal würden in den meisten Betrieben bereits 60 bis 70 Prozent des Umsatzes ausmachen, die Energiekosten vier bis zehn Prozent. Bei einer Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent müssten die Betriebe die Kostensteigerungen zwangsläufig über höhere Preise an die Gäste weitergeben. Viele Besucher:innen würden dann wegbleiben, weil sie sich Gastronomie einfach nicht mehr leisten könnten. Umsatzverluste wären programmiert und Existenzen würden erneut auf dem Spiel stehen.

 

Keine Planungssicherheit

 

Jan Opitz vom Kluster Hof in Basdahl ärgert sich darüber, dass es bis kurz vorm Jahreswechsel noch immer keine Planungssicherheit gab. Fürs kommende Jahr habe er schon viele Veranstaltungen angenommen, konnte den Gästen aber bisher keinen verbindlichen Kostenvoranschlag machen. Bei 19 Prozent Mehrwertsteuer wird er rund 10 Prozent aufs Essen aufschlagen müssen, sagt Opitz. Dabei merke man schon jetzt, dass viele Menschen nicht mehr so häufig auswärts essen, weil das Geld nicht mehr so locker sitzt. Besonders nach den Ferien sei das spürbar gewesen. Opitz ärgert sich auch über den Vorwurf, Beschäftigte in der Gastronomie würden schlecht bzw. nur nach Mindestlohn bezahlt. „Auf uns trifft das nicht zu, und wir können uns zum Glück auch nicht über Personalmangel beklagen“, sagt der Gastronom. Er wolle auf jeden Fall weitermachen, fürchtet aber, dass in anderen Gasthöfen im ländlichen Raum bald der Ofen für immer aus bleibt.

 

Viele Servicekräfte arbeiten jetzt im Supermarkt

 

Von einer Preiserhöhung um bis zu 10 Prozent geht auch Jürgen Bohling aus. Der Betreiber vom Schützenhof Hüttenbusch hat seit der Pandemie auch mit Personalmangel zu kämpfen. „Viele sind abgewandert in die Supermärkte“, sagt Bohling. Im Service-Bereich sei die Situation nicht so schlimm wie in der Küche. „Köche sind besonders schwierig zu finden.“

Rund 10 bis 15 Prozent Personal fehle den Gastronomie-Betrieben im Landkreis Osterholz, schätzt Carsten Rohdenburg, Vorsitzender des DEHOGA-Kreisverbandes. „REWE hat uns gut abgegrast“, sagt der Betreiber des gleichnamigen Hotels in Lilienthal. Das Einzelhandelsunternehmen hat während der Pandemie mit einer Recruiting-Kampagne gezielt ehemalige Mitarbeiter:innen aus der Gastronomie angeworben.

Er hätte sich gefreut, wenn die Mehrwertsteuer bei 7 Prozent geblieben wäre, sagt Rohdenburg. „Das ist eine Umsatzsteuer, die führen wir sowieso wieder ab“, erklärt der Hotelbetreiber. „Mir ist das letztendlich egal, es tut mir nur Leid für die Gäste, die dann mehr zahlen müssen. Die gehen dann natürlich auch weniger weg.“ Vor dem Hintergrund der gestiegenen Kosten sieht Rohdenburg auch die Forderungen der NGG kritisch. „Wer soll das alles bezahlen?“, fragt er sich. Sollten die Kosten weiter steigen wie bisher, sieht Rohdenburg schwarz für den ländlichen Raum: „Dann können wir hier die Radwege dicht machen und den ganzen Tourismus vergessen, weil keiner mehr Lust hat, Gastronomie zu machen.“

Nicht zuletzt drohen Schließungen auch, weil Betreiber:innen keine Nachfolger mehr finden. So geht es Jürgen Bohling seit mehreren Jahren: „Als ich den Schützenhof vor 27 Jahren übernommen habe, habe ich gesagt, ich mache das höchstens 20 Jahre“, erzählt der 64-Jährige. Ein Ende der Suche ist nicht in Sicht.


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