Widerstand und Mahnung
Bremervörde. Spiegel-Bestseller-Autor Tim Pröse ließ anhand seines Buches Wir Kinder des 20. Juli die Töchter und Söhne des Widerstands gegen Hitler durch seine Stimme ihre Geschichte erzählen – und richtete damit einen besonderen Appell an die Gegenwart.
Tim Pröse hatte im Vorfeld für sein Buch tiefergehende Gespräche mit den Kindern von Vätern sowie der Schwester von Sophie und Hans Scholl geführt – mit Menschen also, deren Familienmitglieder ihr Leben ließen, um Deutschland in eine bessere Zukunft zu helfen.
Pröse zitierte die Nachfahren mit zu Herzen gehenden Worten – auch, um mitzuhelfen, dass sich Geschichte nicht wiederhole. Eindrückliche Schilderungen seiner Begegnungen mit den Nachkommen von u.a. Claus Graf von Stauffenberg und weiterer Familienmitglieder von rund 150 „Verschwörern“ machten nachdenklich und betroffen. Besonders das Wort, das Sophie Scholl auf die Rückseite ihres Todesurteils schrieb: „Freiheit.“
Fischerhude in der Nazizeit
Einige Tage später wurde der Film Fischerhude – ein deutsches Dorf in der Nazizeit gezeigt. Im ersten Teil der Veranstaltung mit Hannes Heer, zu dem auch Fischerhudes Bürgermeister Wilfried Mittendorf mit seiner Ehefrau Brigitte angereist war, stand die von Heer 1981 für den NDR realisierte, etwa 45 Minuten lange TV-Dokumentation im Mittelpunkt – in der auch Mittendorfs Vater zu Wort kommt.
Der Film thematisiert, warum so viele Menschen der Ideologie des Nationalsozialismus gefolgt sind und welche Auswirkungen das auf die Einwohner von Fischerhude hatte – das Dorf steht hier, so die Diskussionsrunde, stellvertretend für viele damalige Ortschaften.
Eingeladen zu dieser Veranstaltung hatte der Gedenkstättenverein Sandbostel in Kooperation mit der Gedenkstätte Lager Sandbostel sowie dem Bündnis für Demokratie & Menschenwürde und der Bremervörder Beschäftigungsgesellschaft (BBG). Nachdem der BBG/Tandem-Vorsitzende Andreas von Glahn als Gastgeber seine Gäste vorgestellt hatte, wurde Heers Film in voller Länge gezeigt.
In dem Film berichten damals noch lebende Zeitzeugen – darunter NSDAP-Parteigänger – freimütig über ihre Sicht der Dinge. „Damals“, so hieß es darin, habe es den geflügelten Satz gegeben: „Müssen wir das Feuer tottrampeln?“ Denn alle Bewohner hätten seinerzeit stetig in Bewegung sein müssen, damit niemand auf „dumme Gedanken“ komme.
Der Führer mit ernstem Gesicht
Nach einer kurzen Pause startete die Diskussion auf der Bühne. Filmemacher Heer berichtete, wie er im Vorfeld seiner Film-Aktivitäten mit Heinrich Peper, dem größten Unternehmer am Ort und früheren stellvertretenden Gauleiter, einmal privat habe sprechen können – ohne jedoch Kamera oder Aufnahmegerät nutzen zu dürfen.
Die Diskussion des Abends fokussierte sich auf die Aussagen der Protagonisten aus dem Filmbeitrag. Sehr kritisch wurde die Reaktion einer Grundschullehrerin aufgenommen, die auf Heers Frage, ob sie Adolf Hitler jemals persönlich gesehen habe, antwortete, sie sei ihm einmal am Bremer Hauptbahnhof begegnet – während er am Fenster seines Sonderzuges stand. Sie sei erschüttert und ergriffen gewesen vom Anblick des ernsten, finsteren Gesichtes. Mit scheinbar erregtem Gestus hob sie hervor, dass dies für sie bedeutet habe, wie sehr und schwer der Führer an der Bürde seiner Verantwortung zu tragen habe.
Während einige Gäste der Filmvorführung das Gesagte eher als Beichte verbuchten, meldete eine Person Zweifel an der Aufrichtigkeit der ehemaligen Bund Deutscher Mädel-Führerin an. Sie war der Meinung, das ganze Gehabe habe eher vor Augen geführt, dass die Lehrerin keine innere, kritische Distanz zu dem gehabt habe, was sie in früherer Zeit erlebt bzw. getan habe.
Erkenntnisse und Mahnung
Als Fazit nahmen die Besucherinnen und Besucher mit, dass der mittlerweile 44 Jahre alte Film durch die Aussagen damaliger Zeitzeugen nach wie vor eine besondere dokumentarische Relevanz besitzt. Die Emotionen der Interviewten offenbaren Denkweisen der NS-Zeit auf beklemmende Weise – und helfen, die Begeisterung für den NS und seine Verlockung nachzuvollziehen.
Angesichts gegenwärtiger gesellschaftlicher Entwicklungen – in Deutschland wie weltweit – wurde deutlich: Die Mechanismen der Radikalisierung sind nicht vergangen. So mahnt der Film, aufmerksam zu bleiben – und die demokratischen Strukturen entschieden zu verteidigen.
Mehr als 20 Aussteller
Pflanzen, Attraktionen und Geschäfte

Ende mit Nadel und Faden
