

Landkreis. Die niedersächsische Ärztekammer warnt in einer aktuell verabschiedeten Resolution vor massiven Defiziten im Gesundheitssystem im Falle von Krisenlagen. Ob Pandemie, Naturkatastrophe oder militärische Auseinandersetzungen – viele Krankenhäuser seien strukturell und organisatorisch nicht ausreichend gerüstet. Auch in der Region nehmen die Kliniken die Warnung ernst, fordern jedoch mehr Unterstützung durch Bund und Land.
Die Ärztekammer Niedersachsen fordert die Politik auf, das Gesundheitswesen krisenfest zu machen. Präsidentin Dr. Martina Wenker sprach von einem „dringenden Appell“, der sich aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie und der veränderten sicherheitspolitischen Lage infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine speise. Ziel müsse es sein, eine höhere Krisenresilienz zu schaffen. Dazu gehörten der Ausbau von Notfallkapazitäten, eine engere Kooperation mit dem Militär, strategische Vorräte an Medikamenten und Material sowie regelmäßige Großübungen.
Auch die gezielte Aus- und Weiterbildung des Personals für Krisenlagen sowie eine bessere Koordination und Erfassung verfügbarer Ressourcen seien zentral. „Es darf nicht wieder passieren, dass Kliniken um Schutzmaterial betteln oder Beatmungsgeräte zwischen Häusern hin und her verschoben werden müssen“, heißt es in dem Beschluss.
Krankenhaus kann Krise
Im Kreiskrankenhaus Osterholz wird die Initiative der Ärztekammer grundsätzlich begrüßt. „Die geforderten Maßnahmen sind in der Gesamtschau mit Blick auf die Stärkung der Krisenvorsorge als sinnvoll zu beurteilen“, teilte der Landkreis auf Anfrage mit. Man sehe aber in erster Linie Bund und Länder in der Verantwortung, „durch die Formulierung fachlicher Vorgaben und eine Koordination“ für mehr Sicherheit zu sorgen.
Die Pandemie habe aber gezeigt, dass das Osterholzer Krankenhaus in der Lage sei, auch unter Isolationsbedingungen mit einem erhöhten Patientenaufkommen zurechtzukommen. Und über sogenannte Krankenhausalarm- und -einsatzpläne verfüge man bereits.
Für die Zukunft seien regelmäßige Übungen für den Ernstfall vorgesehen, allerdings müssten sie an aktuelle bauliche Veränderungen angepasst werden. Geplant sei eine Einbindung externer Akteure wie der Feuerwehr.
Die größte Herausforderung bei der Erlangung der Krisenresilienz sei der Wiederaufbau der in den letzten Jahrzehnten abgebauten Strukturen des Zivilschutzes: „Hierzu bedarf es einer deutlich verstärkten Unterstützung durch die Landes- und Bundesebene“, so der Landkreis.
Vernetzung entscheidend
Auch das Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg teilt die Einschätzung, dass die Vorbereitung auf Krisensituationen essenziell ist. Unternehmenssprecher Lars Wißmann verweist auf die Belastung während der Corona-Krise: „Corona hat uns an die Belastungsgrenze und darüber hinaus geführt.“ Sie habe aber ähnlich wie in Osterholz aber auch gezeigt: „dass wir flexibel, proaktiv und rasch auf besondere Lagen reagieren können.“
Grundsätzlich sei es aber zu begrüßen, sich auf außergewöhnliche Lagen vorzubereiten. Und eine gute Ausstattung mit Reserven sei sowieso notwendig.
Das Diakonieklinikum als Maximalversorger verfüge über Einsatzpläne für verschiedene Szenarien, die regelmäßig geübt würden. Wißmann betont aber: „Begrüßen würden wir Übungen im größeren Rahmen gemeinsam mit anderen Institutionen.“ Die monetären wie zeitlichen Ressourcen für eine sorgfältige und nachhaltige Vorbereitung seien aktuell aber begrenzt. Hierzu sei man zwar im konstruktiven Austausch mit dem Landkreis, und auf Landes- und Bundesebene finde ein Umdenken statt, doch die größte Herausforderung bleibe die Vernetzung aller Akteure – nur so könne im Ernstfall eine koordinierte und effektive Reaktion gewährleistet werden.
Die Forderung nach mehr Krisenresilienz im Gesundheitswesen wird von den regionalen Kliniken also geteilt – ihre Stimmen machen aber auch deutlich: Ohne politische und finanzielle Rückendeckung wird es keine nachhaltige Sicherheit geben.