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Digitalisierung im deutschen Mittelstand – der aktuelle Stand und die Herausforderungen

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Im Jahr 2022 verzeichnete der Digitalisierungsindex nur eine marginale Erhöhung von 107,9 auf 108,9 Punkte. Dieser Index, der durch das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWK) erstellt wird, dient der Messung des Niveaus der Digitalisierung in der deutschen Wirtschaft. Er beruht auf 37 verschiedenen Indikatoren, die diverse Aspekte der Digitalisierung repräsentieren. Obwohl die Digitalisierung im deutschen Mittelstand immer mehr Einzug hält, ist eine Stagnation zu beobachten, die den Wirtschaftsstandort Deutschland schwächen könnte.

Unverändert stehen Großunternehmen, die Informations- und Kommunikationstechnologiebranche und die Bundesländer im Süden (Baden-Württemberg und Bayern) an der Spitze der Digitalisierungsbewegung. Der größte Nachholbedarf besteht nach den Erhebungen bei kleinen Unternehmen und in weniger dicht bevölkerten ländlichen Gebieten.

 

Charakteristika des Mittelstandes und der Digitalisierung


In Deutschland werden in der Regel kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten, zum Mittelstand gezählt. Die KfW-Bankengruppe definiert den Mittelstand als privatwirtschaftliche Unternehmen aller Branchen mit einem Jahresumsatz von bis zu 500 Millionen Euro. Darüber hinaus ist es üblich, die Mitarbeiterzahl auf weniger als 500 zu begrenzen. In qualitativer Hinsicht wird die Verbindung von Eigentum und unternehmerischer Verantwortung als Merkmal des Mittelstands angesehen.

Nicht nur in Bremervörde und Umgebung, sondern in ganz Deutschland sind mittelständische Unternehmen ein entscheidender Erfolgsfaktor: Sie machen mehr als 99 Prozent der deutschen Unternehmen aus. Mit etwa 61 Prozent leisten sie einen beträchtlichen Beitrag zur gesamten Netto-Wertschöpfung des Landes. Darüber hinaus stellen sie 55 Prozent der Arbeitsplätze und sind Arbeitgeber für 80 Prozent der Auszubildenden.

Der Begriff „Digitalisierung“ wird häufig mit dem Konzept des „papierlosen Büros“ verbunden. Jedoch reicht das Konzept der Digitalisierung weit über diese einfache Assoziation hinaus. Im Kern bedeutet Digitalisierung die Umwandlung von analogen in digitale Daten. Betrachtet man jedoch den Unternehmenskontext, wird deutlich, dass diese Definition nicht vollständig ist. In der Unternehmenswelt wird Digitalisierung eher als eine Philosophie oder Interpretation des Geschäftsmodells, der Strategie und der Zukunftsausrichtung verstanden, die auf dem Einsatz und der Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) basiert.

 

In welchen Bereichen Unternehmen digitalisieren können


Jeder Bereich innerhalb eines Unternehmens birgt Potenzial für die Digitalisierung. Dies betrifft Aspekte wie Kundenkommunikation, Mitarbeiterführung, Aufgabenmanagement, Logistik und interne Geschäftsprozesse. So hat sich beispielsweise die Art und Weise, wie neue Kunden gewonnen werden, grundlegend geändert. Früher konzentrierte sich das Marketing hauptsächlich auf Anzeigen in Printmedien sowie auf Fernseh- und Radiowerbung. Mit der Entwicklung des Internets sind neue Möglichkeiten entstanden und die fortschreitende Digitalisierung verlagert unternehmerische Werbemaßnahmen in die virtuelle Welt.

Digitale Marketingstrategien wie E-Mail-Kampagnen, Social-Media-Werbung, Suchmaschinenoptimierung (SEO) und Content-Marketing sind heute gängige Praxis. Im Bereich der Suchmaschinenoptimierung, die darauf abzielt, die Sichtbarkeit im Internet zu erhöhen und damit neue Kunden zu erreichen, gewinnen unter anderem Backlinks an Bedeutung. Was sich dahinter verbirgt und wie Unternehmen davon profitieren können, wird hier erläutert.

Ein prägnantes Beispiel für die Digitalisierung in der Logistik ist die Einführung eines Warehouse-Management-Systems, das die Lagerverwaltung und die Steuerung des Materialflusses erleichtert. Solche Systeme unterstützen alle Prozesse vom Wareneingang bis zur Kommissionierung. Eine weitere Anwendung der Digitalisierung in diesem Bereich ist der Einsatz innovativer Sensortechnik.

 

Der Digitalisierungsindex – welche Indikatoren einfließen


Der Digitalisierungsindex dient als Gradmesser für den Fortschritt der Digitalisierung in der deutschen Wirtschaft und basiert auf der Analyse von 37 verschiedenen Indikatoren, die unterschiedliche Facetten der Digitalisierung beleuchten. Die Indikatoren lassen sich in zwei Untergruppen einteilen: Faktoren, die intern in den Unternehmen wirken und solche, die extern Einfluss nehmen.

Der Subindex für unternehmensinterne Faktoren umfasst die Kategorien Geschäftsmodelle, Produkte, Prozesse, Qualifikationen sowie Forschungs- und Innovationsaktivitäten. Im Teilindex für unternehmensexterne Faktoren sind die Kategorien Innovationslandschaft, Humankapital, Gesellschaft, administrativ-rechtliche Rahmenbedingungen und technische Infrastruktur zusammengefasst.

Die 37 Indikatoren zeichnen somit ein umfassendes Bild des Digitalisierungsstands der Unternehmen und des Umfelds, in dem sie agieren. Aggregiert ergeben die Indikatoren einen Indexwert für die gesamtwirtschaftliche Digitalisierung Deutschlands. Dieser wurde im ersten Berichtsjahr 2020 auf 100 Punkte normiert. 2022 betrug er 108,9 Punkte (Vorjahr: 107,9 Punkte).

 

Veränderungen in den Kategorien – kein klarer Treiber


Im Gegensatz zu 2021 war in 2022 kein klarer Treiber der Digitalisierung erkennbar. Die unternehmensinternen Kategorien, darunter Geschäftsmodelle und Prozesse, legten im Durchschnitt nur um 0,9 Punkte zu. Die unternehmensexternen Kategorien Humankapital und technische Infrastruktur verloren sogar durchschnittlich 0,3 Punkte.

Die größte absolute Steigerung im Vergleich zum Vorjahr war in der externen Kategorie Gesellschaft zu verzeichnen. Diese spiegelt wider, wie offen die Bevölkerung gegenüber der Digitalisierung ist und inwieweit sie digitale Produkte und Dienstleistungen nutzt. Die Gesellschaft erwies sich mit einem Anstieg von 113,6 auf 122,5 Punkte als wesentlicher Treiber des digitalen Fortschritts auf der Nachfrageseite. Den stärksten Rückgang verzeichnete hingegen die externe Kategorie Innovationslandschaft, deren Wert von 105,0 auf 97,0 Punkte sank.

 

Informations- und Kommunikationstechnologie – eine Branche mit Spitzenposition


Kaum Fortschritte in der Digitalisierung waren auf Ebene der zehn Branchengruppen zu erkennen. Der Branchendurchschnitt stieg nur marginal von 104,8 Indexpunkten im Jahr 2021 auf 105,1 Punkte im Jahr 2022. Größere Verschiebungen in der Digitalisierungslandschaft waren nicht zu verzeichnen.

Die Spitzenposition bei der Digitalisierung nahm auch 2022 die Branche Informations- und Kommunikationstechnologie mit einem Indexwert von 275,9 Punkten ein. Den größten Anstieg verzeichnete die Branchengruppe „Sonstiges Produzierendes Gewerbe“, zu der die Energie- und Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung sowie das Baugewerbe gehören. Sie verzeichnete ein Plus von 7,4 Punkten, blieb aber mit einem Gesamtwert von 63,3 Punkten Schlusslicht.

Der Tourismussektor, der im Jahr 2021 die höchsten Zuwächse verzeichnen konnte, wies im Jahr 2022 mit einem Minus von 7,0 Punkten den stärksten Rückgang auf.

 

Bundeslandgruppe Süd erreichte höchste Indexwerte


Bezogen auf die vier Bundeslandgruppen verzeichnete die Bundeslandgruppe Ost (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) die größten Zugewinne. Ihr Indexwert stieg von 97,6 Punkten im Jahr 2021 auf 105,5 Punkte im Jahr 2022 an.

Die Bundeslandgruppe Nord (Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg) war im Jahr 2022 die Bundeslandgruppe mit dem niedrigsten Digitalisierungsgrad. Sie büßte 9,3 Indexpunkte ein und kam auf einen Gesamtwert von 103,2 Punkten. Geringfügig an Indexpunkten verlor die Bundeslandgruppe West (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland). Von 107,7 Indexpunkten im Jahr 2021 sank der Wert auf 106,7 Punkte im Jahr 2022.

Deutlich überdurchschnittlich blieb die Bundeslandgruppe Süd (Bayern und Baden-Württemberg). Sie erreichte 130,6 Indexpunkte und verzeichnete einen leichten Anstieg um 1,8 Punkte.

 

Herausforderungen für den Mittelstand


Trotz der generellen Befürwortung des digitalen Wandels durch viele Unternehmen gibt es verschiedene Faktoren, die die praktische Umsetzung behindern und die Digitalisierung verlangsamen oder sogar stoppen.

Ein Großteil der Unternehmen empfindet die finanzielle Belastung durch die Digitalisierung als zu hoch. Die charakteristische Vielfalt und Spezialisierung mittelständischer Unternehmen macht die Automatisierung durch Digitalisierung in ihren Augen zu einer Herausforderung. Traditionelle Unternehmen, vor allem solche, die seit vielen Jahren erfolgreich sind, neigen zu Beharrungstendenzen und sehen keine Notwendigkeit, sich neu auszurichten. Diese Haltung kann jedoch riskant sein, insbesondere wenn Wettbewerber beginnen, ihre Geschäftsmodelle digital zu überdenken.

Die zögerliche Haltung der Unternehmen und die Sorge um die Kosten sind jedoch nicht die einzigen Hindernisse für die Digitalisierung kleiner und mittlerer Unternehmen. Auch Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und der Datensicherheit, die Qualität der Internetverbindung und der Mangel an Fachkräften, vornehmlich an IT-Fachkräften, wirken sich aus.

Gerade bei kleineren mittelständischen Unternehmen fehlt häufig das Bewusstsein für die Notwendigkeit, die eigene Digitalisierung voranzutreiben. Aufgrund ihrer stabilen Auftragslage glauben sie oft, keine Zeit für zusätzliche Investitionen in die Digitalisierung zu haben.

 

Warum der Ausbau der Digitalisierung von Vorteil ist


Die Vorteile der Digitalisierung zeigen sich deutlich in der gesamten Wertschöpfungskette: Von der Materialbestellung über Transport, Produktion und Auslieferung bis hin zu den einzelnen Geschäftsprozessen - alles wird automatisiert, überwacht und kontinuierlich verbessert. Ständig scannen Algorithmen den Prozess auf Optimierungspotenzial und mögliche Störungen, die dann behoben werden können, bevor sie zu Produktionsstillständen führen. Darüber hinaus erweitert die Digitalisierung das Vertriebsnetz der Unternehmen und steigert ihren Bekanntheitsgrad durch die strategische Nutzung von Online-Plattformen.

Durch die Digitalisierung werden Marketing- und Werbeaktivitäten effizienter, da Kundenbedürfnisse genauer erfasst werden können. Auch die Personalsuche verbessert sich, da qualifizierte Fachkräfte unabhängig von ihrem Standort gezielter angeworben werden können. Unternehmen können sich zudem leichter international vernetzen und Fachkräfte in Projekte einbinden, ohne dass diese unbedingt vor Ort sein müssen.

 

Mitarbeiter als Schlüssel für einen erfolgreichen digitalen Wandel


Bei der Digitalisierung unternehmensinterner Prozesse oder ganzer Abteilungen ist eine offene Kommunikation
mit den Mitarbeitern unerlässlich. Gerade bei der Veränderung von gewohnten Abläufen kann es häufig zu Unsicherheiten und Ängsten kommen. Durch eine kontinuierliche Einbindung der Mitarbeiter in den Prozess können diese Ängste abgebaut werden. Dies kann dazu beitragen, dass digitale Innovationen nicht als abrupte Veränderung, sondern als schrittweise Verbesserung wahrgenommen werden. Wenn die Beschäftigten von Anfang an in den Digitalisierungsprozess einbezogen werden, ist die Akzeptanz für Veränderungen höher. Ein detaillierter Plan, der genügend Raum für Einarbeitung, Mitarbeiterschulungen und die Gewinnung von Unterstützern lässt, verspricht die besten Ergebnisse.

Gleichzeitig sollte die Digitalisierung nicht als Nebenprojekt betrachtet werden. Wichtig ist, dass die Unternehmensleitung ausreichend personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellt, idealerweise in Form eines Digitalisierungsbeauftragten. Bevor mit der technischen Umsetzung begonnen wird, muss klar definiert werden, welche Tools und Systeme den Anforderungen des Unternehmens am besten entsprechen. Strategische Partnerschaften mit technischen Beratern ermöglichen es den Unternehmen, auch bei Störungen sicher zu funktionieren.


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