Benjamin Moldenhauer

Eine unerbittliche Erzählung

Claire Denis‘ Film „Mit Liebe und Entschlossenheit“ ist gnadenloses Körperkino. Er zeigt auf besondere eine Ménage à trois, deren Dynamik niemandem fremd ist.

Juliette Binoche und Vincent Lindon spielen Sara und Jean und lassen es eskalieren.

Juliette Binoche und Vincent Lindon spielen Sara und Jean und lassen es eskalieren.

Bild: Wikicommons

Seit zehn Jahren leben Jean (Vincent Lindon) und Sara (Juliette Binoche) zusammen. Jean ist der Mann nach François (Grégoire Colin), der an Sara damals irgendwie das Interesse verloren hat. Nun taucht er wieder auf und will doch noch einmal, und Sara zieht es heftig zurück und zu ihm hin. Warum, man erfährt es nicht, wie immer in den Filmen der Regisseurin Claire Denis sind die Figuren zuallererst als Körper präsent, nicht als Subjekte mit einer Psychologie, die sich genrekonform auffächern ließe. So ist es auch in „Mit Liebe und Entschlossenheit“ (dessen Originaltitel „Avec amour et acharnement“ sich grob mit „Mit Liebe und Unerbittlichkeit“ übersetzen lässt und besser passt).

Jean ist ruhig und verschlossen und spricht nicht über seine Gefühle. Sondern wartet ab, bis passiert, was passieren muss und lässt dann alles raus und eskaliert. Sara will über Gefühle reden, lügt aber ausdauernd, wenn es darum geht, was gerade mit ihr passiert. François bezieht Lust aus der Destruktion: mit überlegenem Lächeln zerstören, was da ist, in dem Fall die Beziehung seiner ehemals besten Freunde und einer früheren Liebe. Ein formvollendeter Narzisst, so viel Küchenpsychologie dann doch, der sich schmollend ins Badezimmer verzieht, nachdem er Sara erfolglos zum Analverkehr drängeln wollte.

 

Keine moralische Auswertung

Von Ménages à trois wird im französischen Kino öfter erzählt als in den Kinolandschaften anderer Länder. Claire Denis presst dem klassischen Sujet mit Leichtigkeit noch einmal eine ungewohnte Tonalität ab, indem sie die Dynamik dieser Beziehung nicht vorführt und moralisch für uns auswertet, sondern sie gleichsam in Zuschauerin und Zuschauer hinein verlegt. Mit den Mitteln des Körperkinos, das so gebaut ist, dass Verbindungen zwischen den Leinwandkörpern und den Körpern vor der Leinwand entstehen. In der ersten Hälfte von „Mit Liebe und Entschlossenheit“ werden die drei Figuren auf die Schienen gesetzt und marschieren dann in die Richtung los, in die sie eben müssen. Die Ausweglosigkeit wird verstärkt durch die Drone-förmige Musik von Claire Denis’ Hausband Tindersticks und die die Räume sukzessive verkleinernde Kameraführung von Éric Gautier.

 

Eine Form von Liebe

Ab der Mitte etwa, wenn es mit der Affäre richtig losgeht, ändert sich der Rhythmus der Bilder und damit auch die Eingebundenheit von Betrachterin und Betrachter. Alles läuft auf eine unvermeidliche Eskalation zu, und als es so weit ist, zeigt sich der wirklich singuläre Blick auf die Menschen vor der Kamera in den Filmen Claire Denis konzentriert: eine Unparteilichkeit, die eine Form von Liebe ist, und die Claire Denis selbst noch in einem Kannibalenfilm wie „Trouble Every Day“ herstellen und erhalten kann.

 

Ein gnadenloser Film

Im Falle von „Mit Liebe und Entschlossenheit“: Jean hat endlich Sicherheit und Beweise, legt die Sprachlosigkeit ab und den Zorn der Gerechten an. Sara hört nicht auf damit abzustreiten und, als es sich nicht mehr abwenden lässt, irgendwelche Banalitäten von sich zu geben, und man ist in dieser kurzen Zeitspanne auf Seiten des Mannes (und wundert sich, weil man das in diesen Filmen ansonsten eben nicht ist, auf einer Seite; sondern immer auf allen zugleich). Die Körper lösen das dann auf: die gepresst-lustvolle Gewalttätigkeit des Mannes mitsamt Möbelweitwurf im gemeinsamen Wohnzimmer wird abgelöst durch einen Ausbruch der Frau, einen Schrei: Sie sei noch nie, wirklich noch nie in ihrem Leben frei gewesen. Und der Schrei überschreibt den Zorn nicht, sondern stellt beides nebeneinander, gleichberechtigt, beides ist im Raum präsent und geht da auch nicht mehr weg.

Deswegen muss dieser Raum geschlossen werden, weil sich das nicht mehr auflösen lässt, und die Beziehung kommt zu einem Ende. Der eine geht zu etwas zurück, die andere geht ins Offene. „Mit Liebe und Entschlossenheit“ ist ein gnadenloser Film, in dem man alle und alles gleichermaßen verstehen kann. Mit Liebe und Unerbittlichkeit zu erzählen und zu filmen, läuft im Kino von Claire Denis auf das Wissen hinaus, dass einem, so einfach ist es dann mit einem Mal vielleicht doch, wirklich nichts von dem, was man zu sehen und zu spüren bekommt, fremd ist oder sein müsste.

 

„Mit Liebe und Entschlossenheit“ läuft am Dienstag, den 17.09., und am Mittwoch, den 19.09. um 20.15 Uhr in den Ritterhuder Lichtspielen.


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