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„Frieden ist nicht geschenkt“

Im Interview spricht CDU-Politiker Thomas Röwekamp über die Wehrpflicht.
Thomas Röwekamp (CDU) sitzt im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages.

Thomas Röwekamp (CDU) sitzt im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages.

Bild: Karlies Behrens

Thomas Röwekamp ist ein ehemaliger Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft und sitzt seit 2021 im Bundestag. Dort arbeitet er unter anderem im Verteidigungsausschuss. Wir haben den CDU-Politiker gefragt, was er von der neuen Debatte um den Wehrdienst hält.

ANZEIGER: Der Bundeswehr fehlen aktuell rund 20.000 Soldaten, um das politische Ziel einer Truppenstärke von 203.000 zu erreichen. Pläne der NATO sehen offenbar noch eine weit höhere Zahl – über 270.000 Soldaten – vor. Wie ist es um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands bestellt?

Röwekamp: Die Bundeswehr steht auch mehr als zwei Jahre nach der vom Bundeskanzler ausgerufenen Zeitenwende vor großen personellen und materiellen Herausforderungen. Mit dem Sondervermögen wurde ein erster wichtiger Schritt gegangen. Um die Bundeswehr jedoch dauerhaft verteidigungsfähig und Deutschland bündnisfähig zu halten, müssen auch in den kommenden Jahren die notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Darüber hinaus erreichen wir in der derzeitigen Struktur nicht die notwendige personelle Stärke. Sowohl für die aktive Truppe als auch für die Reserve benötigen wir mehr Soldatinnen und Soldaten. Die CDU befürwortet ein für Männer und Frauen verpflichtendes Gesellschaftsjahr und bis dahin die Einführung einer Kontingentwehrpflicht.

Die Wehrpflicht wurde nicht abgeschafft, sondern ausgesetzt. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall gilt sie nach wie vor. Gleichzeitig wurden Strukturen zur Erfassung und Rekrutierung Wehrfähiger abgebaut. Wäre die Bundeswehr aktuell überhaupt in der Lage, Männer im wehrfähigen Alter einzuziehen?

Nein. Wir haben weder ausreichend Kapazitäten für ein Musterungsverfahren noch für die Ausbildung von Wehrpflichtigen. Der Vorschlag des Ministers ist insoweit ein erster richtiger Schritt zur Erfassung. Allerdings brauchen wir auch die Bereitschaft der jungen Generation, sich für den Erhalt unseres Friedens, der Demokratie und des Wohlstandes einzusetzen. Und die Bundeswehr muss wieder den Zugang zu diesen jungen Menschen finden. Daher ist allein die Einführung einer Dienst- und Wehrpflicht die richtige Maßnahme. Diese Auffassung teilen alle Experten und auch der Minister selbst. Leider hat er nicht den notwendigen Rückhalt in der eigenen Partei, um dies in der ohnehin völlig zerstrittenen Koalition durchzusetzen.

Verteidigungsminister Pistorius will einen freiwilligen Wehrdienst einführen, der mindestens sechs Monate dauern soll und verlängert werden kann. Reicht diese kurze Zeit für eine fundierte militärische Ausbildung?

Mit den militärischen Grundfertigkeiten sind lediglich die Grundlagen für eine Aufwuchs- und Durchhaltefähigkeit gelegt. Im Verteidigungsfall sind sie aber für den Heimatschutz einsetzbar, wenn die gut ausgebildete aktive Truppe im Bündnisfall im Einsatz ist. Im Idealfall sind die sechs Monate nur der Auftakt für eine längerfristige eingegangene Verpflichtung.

Boris Pistorius geht davon aus, dass rund ein Viertel der 18-jährigen Männer grundsätzlich Interesse an einem Dienst in der Bundeswehr hat. Wie hoch schätzen Sie das Interesse junger Menschen an den Streitkräften ein?

Grundsätzlich beobachte ich ein gewachsenes Interesse und ein stärkeres Bewusstsein für die veränderte Sicherheitslage. Die fehlende Gerechtigkeit zwischen Frauen und Männern ist in meinen Augen jedoch ein gravierendes Problem für die Akzeptanz. Die Wehrpflicht aus den 1950er Jahren spiegelt nicht mehr unser heutiges Gesellschaftsbild wider. Für mich sind Frauen und Männer vollkommen gleichberechtigt. Das gilt auch für die Wehrpflicht.

In der neuen Debatte um die Wehrpflicht beharren viele Politiker auf Freiwilligkeit: Das Personalproblem könne gelöst werden, indem die Bundeswehr attraktiver wird. Halten Sie diese Perspektive für realistisch oder brauchen wir einen verpflichtenden Dienst, um genug gut ausgebildete Soldaten zu bekommen?

Der Dienst muss attraktiver werden. Etwa über Ausbildungsmöglichkeiten oder die materielle Ausstattung. Wichtig ist aber auch, dass wir in der Gesellschaft wieder einig sind, dass Frieden, Freiheit und Wohlstand nicht geschenkt sind und auch nicht von anderen sichergestellt werden. Jede und jeder muss hierzu einen eigenen Beitrag leisten. Und eine Dienstpflicht für alle jungen Menschen leistet hierbei einen unverzichtbaren Beitrag. Sich ein Jahr für unsere Werte einzusetzen und dafür zu arbeiten, um dauerhaft in Frieden und Freiheit leben zu können, ist aus meiner Sicht nicht nur vertretbar, sondern notwendig.


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