Gute Chancen für Stolpersteine in Osterholz-Scharmbeck
In Ritterhude liegen bereits mehrere Exemplare, in der Kreisstadt scheiterte die letzte Initiative für die Verlegung von Stolpersteinen im Jahr 2011. Nun gibt es einen neuen Vorstoß: Historiker Manfred Bannow und seine Redaktionskolleg*innen vom Online-Portal „Spurensuche-Osterholz“ wünschen sich die Gedenktafeln auch in Osterholz-Scharmbeck. Mehrere Parteien haben ihre Unterstützung zugesichert.
Zustimmung von SPD, Grünen, und Linken
Bereits Ende Februar wandte sich Hartmut Oberstech, zweiter Vorsitzender des Arbeitskreises MUNA Lübberstedt, mit dem Anliegen an die Stadtverwaltung. Die Redaktion der Website Spurensuche um den Historiker Manfred Bannow griff den Vorschlag auf und bat mit einer Email alle im Stadtrat vertretenen Parteien, die Idee zu unterstützen und das Verlegen von Stolpersteinen zu genehmigen. Finanziert werden sollen die Gedenktafeln durch Spenden, heißt es auf der Website.
Wegen der Corona-Krise musste sich das Team von „Spurensuche“ etwas gedulden, doch von den Ortsverbänden der SPD, den Grünen und der Linken gab es schließlich positive Rückmeldungen. Anfag Mai verfasste Manfred Bannow einen Entwurf für einen möglichen Antrag im Stadtrat, der an alle Fraktionen versendet wurde. „Wir haben uns auf einige kleine Änderungen geeinigt“, berichtet Bannow von den Gesprächen mt den Parteien. Nun werde der Antrag voraussichtlich zunächst am 11. Juni im Verwaltungsausschuss und später am 9. Juli im Stadtrat beraten. Sollte keine der drei Parteien ihre Meinung ändern, sei er sehr zuversichtlich, sagt Bannow.
CDU und Bürgerfraktion weiterhin kritisch
Vorerst abgelehnt haben den Vorschlag die Bürgerfraktion und die CDU. Die Idee der Stolpersteine sei seiner Fraktion bekannt, teilte Wilfried Pallasch (Bürgerfraktion) mit. Er verwies jedoch auf das bestehende Denkmal am Platz der jüdischen Synagoge und das Engagement einer „aktiven Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern gegen das Vergessen“. Daher gebe es in der Fraktion keine Absicht, zusätzlich Stolpersteine in der Stadt verlegen zu lassen.
Auch die CDU-Stadratsfraktion halte Stolpersteine nicht für den richtigen Weg, um an die Verbrechen der Nationalsozialisten zu erinnern, schrieb Marie Jordan. Die Vorsitzende berief sich dabei auf die Argumente, die bereits 2011 vorgetragen wurden. Die Erinnerungskultur sei der Partei jedoch sehr wichtig: „Wir können gerne in den Dialog treten, um über Wege zu diskutieren, wie man die Geschichte der Osterholz-Scharmbecker Juden im Stadtbild sichbarer machen kann“, so Jordan weiter.
Umstrittene Form des Gedenkens
Vor neun Jahren scheiterte das Vorhaben im Verwaltungsausschuss. Damals beriefen sich die Fraktionen unter anderem auf kritische Stimmen aus der jüdischen Gemeinde, die Stolpersteine ablehnen. Die vom Künstler Gunter Demnig entworfenen Gedenktafeln werden dort, wo sich der letzte frei gewählte Wohnsitz von Opfern des NS-Regimes befand, in den Gehweg eingelassen. Auf einer Messingplatte stehen Name und Geburtsjahr, häufig auch Deportationsjahr und Todesort der Ermodeten. Die Steine werden in Handarbeit in Berlin hergestellt.
Zu den prominentesten Kritiker*innen des Projekts zählt beispielsweise Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Sie finde „die Vorstellung unerträglich, die Namen ermordeter Juden auf in den Bürgersteig eingelassenen Tafeln zu lesen, wo sie mit Füßen getreten“, sagte Knobloch zu Gunter Demnigs Projekt. Ähnlich äußerte sich damals der Landesverband der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen. Den Kritiker*inne gegenüber stehen zahlreiche Unterstützer*innen des Projekts. Seit 1992 wurden in insgesamt 26 Ländern über 75.000 Stolpersteine verlegt. Einige Städte machen die Verlegung von der Zustimmung ihrer jüdischen Gemeinden abhängig.
Lücke in der Erinnerungskultur vor Ort
Das Stolperstein-Projekt widmet sich jedoch nicht nur den jüdischen Opfern der Nazi-Herrschaft. Auch für die zahllosen Ermordeten nicht-jüdischen Glaubens werden die Gedenktafeln gelegt. Aus diesem Grund ermutigt beispielsweise Dr. Lars Hellwinkel von der Stiftung Lager Sandbostel die Beteiligten in Osterholz-Scharmbeck, das Projekt unbedingt fortzuführen. Denn hier gebe es eine Lücke in der städtischen Erinnerungskultur: Die Namen der in Osterholz-Scharmbeck verstorbenen und auf dem Willehadi-Friedhof beerdigten Zwangsarbeiter etwa seien bekannt, jedoch nicht auf den Grabsteinen zu finden. Dort stehen lediglich die Namen von russischen Kriegsgefangenen aus dem Ersten Weltkrieg. „Auch auf dem Jüdischen Friedhof, auf dem nachweislich sowjetische Kriegsgefangene beerdigt wurden, erinnert kein Stein an diese Männer“, so Hellwinkel weiter. „Da gäbe es noch so einige Baustellen in Osterholz-Scharmbeck, die mit dem Verweis auf das Mahnmal leider nicht so einfach aus der Welt geräumt werden können.“