Benjamin Moldenhauer

Buffy the feminist Slayer

Reich an Subtext: Benjamin Moldenhauer erklärt, warum „Buffy the Vampire Slayer“ nach wie vor eine der besten feministischen Serien der Fernsehgeschichte ist.

144 Folgen von Buffy the Vampire Slayer wurden von 1997 bis 2001 produziert.

144 Folgen von Buffy the Vampire Slayer wurden von 1997 bis 2001 produziert.

Wenn Frauen mit den Männern anders nicht weiterkommen, muss man ihnen mit einem beherzten Tritt zu verstehen geben, was gerade ansteht. Oder ihnen final einen Pfahl ins Herz rammen. Die Fernsehserie Buffy the Vampire Slayer hat eine sehr handfeste Form von Feminismus formuliert. Der sieben Staffeln währende Kampf einer High-School-Schülerin vor allem gegen Vampire, aber dann auch gegen alles andere, was die Geschichte des Horrorfilms an Monstrositäten aufzufahren hat, wurde schlagkräftig geführt. Vor allem aber wurde er verbal ausgetragen. Die vor allem von Marti Noxon und Joss Whedon verfassten Dialoge sind schnell, unheimlich witzig und nicht so sehr am in dieser Hinsicht ja auch nicht sonderlich ergiebigen Horrorgenre, sondern an der Screwball-Comedy geschult. Die gefühlt 823 Wortspiele, die man in Buffy zu hören bekommt, sie lassen sich meist nicht übersetzen, und man sollte diese Serie in jedem Fall auf Englisch schauen. Wenn zum Beispiel die Leiterin eines geheimen Militärlabors, das sich der Erforschung des Übernatürlichen widmet, Buffy, der neuen Slayerin einer seit Jahrtausenden währenden Reihe von Vampirjägerinnen, gesteht: "We thought you were a myth." Und Buffy in unübersetzbarer Weise antwortet: "Well, you are myth-taken." Das hat dann mindestens drei Bedeutungsebenen.

 

Melodramatische Wucht

Buffy und die fünf Staffeln des genauso gelungenen Spin-offs Angel nahmen das Horrorgenre, alle Genre eigentlich, ernst. Als endlosen Fundus von Geschichten und Figuren, die von den Schrecken der Adoleszenz, der Geschlechterverhältnisse und der Welt im Allgemeinen zu erzählen wissen. Dass das als Popfeminismus wie auch als Welttheater so ausnehmend gut funktioniert, liegt auch daran, dass die Autor:innen von Buffy die Monster als Metaphern verstanden und ihnen trotzdem ihr Eigenleben ließen. Zum Beispiel: Die Vampirjägerin Buffy (Sarah Michelle Gellar) verliebt sich in Angel (David Boreanaz), einen Vampir mit Seele. Die sich über die ersten drei Staffeln erstreckende Liebesgeschichte gehört zu den ergreifendsten des amerikanischen Films. Angel verliert seine Seele und wird zum toxischen Gewaltmenschen, wie Buffy the Vampire Slayer überhaupt Vampirismus präzise mit toxischer Männlichkeit und toxischen Beziehungsdynamiken in Verbindung bringt. Wenn Angel, der schon ein paar Jahrhunderte alt und in der Weltgeschichte von Buffy auch als "Die Geißel Europas" bekannt ist, seine Seele wieder bekommt, ist er ein liebender, mit den eigenen Unzulänglichkeiten kämpfender Mensch. Und dann ist sie wieder weg. Was sich auf dem Papier wie eine etwas hölzerne Metapher für eine zermürbende On-Off-Beziehung liest, entfaltet auf dem Bildschirm eine ungeheure melodramatische Wucht. Das, was man gerne Subtext nennt, die implizite Bedeutung, die sich unter dem expliziten narrativen Verlauf verbirgt, und allem, was man eins-zu-eins sieht, sie ist bei Buffy das eigentlich Bedeutsame. Und das ganz direkt. Buffys Mentor Rupert Giles (Anthony Stewart Head) - jeder Slayer braucht in der Mythologie dieser Serie einen Watcher - formuliert es in einer Folge so: "The subtext is rapidly a text here." Man versteht diese Geschichten unmittelbar und weiß sofort, wer und was gemeint ist.

 

Sezierung der Geschlechterverhältnisse

Mit der zweiten Staffel hob Buffy the Vampire Slayer erst ab. Die erste ist noch sehr generisch, wenn auch super unterhaltsam. Aber sie ist vor allem eine Skizze für alles, was noch folgen sollte: Stiefväter, die eigentlich Roboter sind, die Geister der ermordeten amerikanischen Ureinwohner, eine Clique männlicher Nerds, die ein größeres Gewaltpotenzial entfaltet als alle übernatürlichen Monster bis dahin. Und noch 130 Konstellationen, Metaphern und Monster mehr. Ein fortlaufender hochkomplexer, strahlend intelligenter und nicht zuletzt hochkomischer Kommentar zu eigentlich irgendwie allem, was in der modernen Welt ist, die immer wieder vom Toten gepackt wird. Zum Toten, das nicht sterben will, die Welt der Lebenden im Würgegriff hält und die Entstehung des Neuen verhindert. Zentral in dieser Hinsicht ist die Sezierung und Auffaltung gewaltvoller Geschlechterverhältnisse, die sich durch alle Staffeln zieht, als Strang, der die anderen Themen zusammenhält und miteinander verbindet. Die unter gegebenen Verhältnissen nicht radikal auflösbare Verknüpfung von Geschlecht, Gewalt und Macht wird in Buffy als Haupt- und nicht als Nebenwiderspruch behandelt. Das, was dem Marxisten zentral ist, das Verhältnis von Kapital und Arbeit, taucht nur sehr am Rande auf. Obwohl: In einer Folge kämpft Buffy mit Hammer und Sichel in einer Fabrik gegen dämonische Sklaventreiber, aber gut, das geht dann eher als kleines Zitatspiel durch und ist nicht zentral. Zentral hingegen ist das Versprechen, dass feministische Selbstermächtigung (für Frauen) wie auch die Befreiung von Autoaggression und Gewaltneigung (für Männer) machbar sind. Und dass beides Spaß und lebendig macht und sich aber ohne Kämpfe, die Schlagkraft und unablässige Wachsamkeit auch gegenüber denen, die einem am nächsten sind, erfordern, nicht wird realisieren lassen.

 

Die Utopie der Hexenliebe

Neben einer unheimlich komplexen, klug gebauten Durchdringung von feministischem Bewusstsein und romantischem Begehren in der Liebesbeziehung zwischen Buffy und Angel haben Serienmacher Joss Whedon und seine Autor:innen der Fernsehwelt die erste ausgiebig erzählte, glaubhafte (und am Ende niederschmetternde traurige) lesbische Liebesbeziehung geschenkt. Die beiden Hexen Willow und (Alyson Hannigan) und Tara (Amber Benson) bilden das einzige dauerhaft nicht-dysfunktionale Paar in diesem Kosmos, und die Serie erzählt diese Liebe, ohne ihre Konflikte zu negieren oder sie zu verkitschen. Der Vorteil oder auch, wenn man es evolutionär oder einfach sportlich sieht, Vorsprung des weiblichen homosexuellen Begehrens: In der Beziehung von Willow und Tara existiert keine Toxizität, zumindest keine, die aus der zwangshetersosexuell-männlichen Zurichtung der Körper und Affektapparate herrühren würde. Die Liebe der beiden Hexen ist so etwas wie das utopische Versprechen von Buffy the Vampire Slayer: eine Verbindung zwischen zwei Menschen, ganz ohne Gewalt, in der beide einander atmen lassen. Die übrigen Beziehungen, in denen hier Menschen zwangsläufig mit Vampiren und Dämonen (fremden und eignen) zu tun bekommen, sind immer wieder ernüchternd.

 

Taten lassen erkennen

Ernüchternd waren auch die Wortmeldungen von Schauspieler:innen, die Joss Whedon, dem Erfinder und Hauptautor von Buffy the Vampire Slayer, 2022 Übergriffigkeit und Machtmissbrauch vorwarfen. Charisma Carpenter war die erste aus dem Buffy-Cast, die fast zwanzig Jahre nach der Ausstrahlung der letzten Folge an die Öffentlichkeit ging und von Beleidigungen, Psychoterror und Drohungen am Set berichtete. Amber Benson bestätige die Vorwürfe per Tweet: "Buffy was a toxic environment and it starts at the top. [Charisma Carpenter] ist speaking truth." Einer der Schöpfer (die Beiträge von brillanten Autor:innen wie der bereits erwähnten Marti Noxon, von Jane Espenson oder Drew Z. Greenberg, werden häufig vergessen) der komplexesten und klügsten Erzählung über die vampiristischen Potenziale von Beziehungen aller Art, ist selbst ein Vampir. Buffy the Vampire Slayer bleibt als ein radikal-feministischer Text, dessen Autor Schauspieler:innen, weibliche vornehmlich, am Set drangsaliert, herab- und unter Druck gesetzt hat. Die implizite Bedeutung dieser Produktionsgeschichte: Es ist egal, was sie sagen, was an politisch bewusstem Zeug sie von sich geben, egal, wie feministisch informiert Männer reden. "The subtext is rapidly becoming a text here": An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.


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