Keine Entwarnung - Hochwasser bleibt unberechenbar
Lilienthal. „Wir sind permanent dabei, die Lage neu zu bewerten und mit Sachverständigen zu sprechen“, beschreibt Marilena Koch die tägliche Arbeit im Krisenstab im Lilienthaler Rathaus. Der Niedersäschsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz misst den Pegel der Wörpe nur im rund acht Kilometer entfernten Grasberg, der Wasserstand der Wümme wird in Borgfeld festgestellt. In Lilienthal springt deshalb die DLRG ein und übermittelt mehrmals täglich neue Messergebnisse ans Rathaus. Während in Grasberg in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag der höchste Pegel seit dem ersten Weihnachtstag gemessen wurde, änderte sich in Lilienthal nicht viel.
Ein leicht rückläufiger Wasserstand bedeutet allerdings nicht unbedingt Entspannung - zumal es bis zum Wochenende weiter regnen soll. Nach wie vor dürfen rund 100 Menschen nicht in ihre Wohnungen. Immerhin haben inzwischen alle eine vorübergehende Bleibe gefunden. „Die Turnhalle in der Ostlandstraße ist leer“, bestätigt Rathaussprecherin Koch. Die Gemeinde hatte dort eine Notunterkunft eingerichtet, in der anfangs um die 60 Personen untergebracht wurden. Spekulationen, wann die Evakuierung aufgehoben werden könnte, will sich bisher niemand anmaßen. „Wir können es nicht einschätzen“, sagt Marilena Koch.
Ziel: Strom- und Wasserversorgung wiederherstellen
In den stark betroffenen Bereichen - darunter die Straße Zollpfad - steht das Wasser kniehoch, Keller und Erdgeschosse sind nach wie vor überflutet. Die Deiche wurden in den ersten Tagen des Hochwassers so weit wie möglich gesichert und seien stabil, heißt es vom Krisenstab. Die ehrenamtlichen Helfer - Feuerwehren aus der Gemeinde Lilienthal und der ganzen Region - sind seit Weihnachten im Dauereinsatz und starten jetzt erste Versuche, das Wohngebiet zu entwässern. Am Donnerstag wurde eine zusätzliche Barriere aus tonnenschweren Big Bags am Zollpfad errichtet. Der provisorische Damm soll es ermöglichen, das Wasser abzupumpen, ohne dass es gleich wieder zurückfließt. In der Nähe des Betriebshofes der Osterholzer Stadtwerke ist bereits seit mehreren Tagen eine Spezialpumpe aus Baden-Württemberg im Einsatz.
„Das ist im Moment unser Einsatzschwerpunkt“, sagt Gemeindebrandmeister Andreas Hensel. Zehn bis zwölf Stunden werde es dauern, die Barriere zu errichten. Ziel sei es, die Straße freizupumpen und die Strom- und Wasserversorgung wiederherzustellen, bevor der Frost kommt, sagt Hensel. Der kündigt sich nämlich schon an. Ab dem Wochenende soll es zwar trocken bleiben, aber fast überall ist Dauerfrost angesagt, der das Hochwasser im schlechtesten Fall gefrieren lassen könnte.
Hochwasserschutz soll verbessert werden
Das Hochwasser in Niedersachsen hat natürlich auch die Landes- und Bundespolitik auf den Plan gerufen. Nachdem der Bundeskanzler die Stadt Verden besucht hatte, kamen die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang und der Niedersächsische Umweltminister Christian Meyer (ebenfalls Grüne) am Mittwoch nach Lilienthal (Bericht auf Seite 3). Beide sicherten der Gemeinde und den Betroffenen finanzielle Unterstützung zu, Meyer befürwortete etwa die Idee, eine Machbarkeitsstudie zu weiteren Hochwasserschutzmaßnahmen in der Gemeinde von Seiten des Landes zu fördern.
Auch die Akteure vor Ort haben sich bereits mit Zukunftsfragen beschäftigt. Landkreis, Gemeinde und der Gewässer- und Landschaftspflegeverband Teufelsmoor (GLV) sind sich einig, dass der Hochwasserschutz in Lilienthal verbessert werden muss. Der Wörpedeich ist genau genommen gar kein echter Hochwasserschutzdeich, denn er besteht aus Sand und Mutterboden statt einem Kleiboden. Entsprechend wird er auch nicht behandelt wie ein „echter“ Deich. Es gibt beispielsweise bisher keine regelmäßigen Begehungen oder einen festen Punkt, an dem der Pegel gemessen wird. Gespräche über zukünftige Maßnahmen - auch mit dem Bremischen Deichverband am rechten Weserufer - sollen jetzt möglichst schnell stattfinden.