Planlos bei Hitze
Schwindel, Verwirrtheit, Erschöpfung, Hitzschlag: Die spürbaren gesundheitlichen Folgen der Hitze können in den Sommermonaten gravierend sein. Abhelfen könnten Hitzeaktionspläne, doch deren Umsetzung lässt auf sich warten.
Der Klimawandel ist gesundheitsgefährdend. Seine Auswirkung auf die Gesundheit der Menschen auch in Deutschland werden immens sein. Vor allem für vulnerable Gruppen, wie Alte, Schwangere, Neugeborene und Kleinkinder. Aber auch für Menschen, die draußen arbeiten. Deshalb verkündete Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in der letzten Woche, dass er einen Hitzeschutzplan für Deutschland erarbeiten will. „Wir müssen feststellen, dass wir in Deutschland gegen den Hitzetod nicht gut aufgestellt sind“, so Lauterbachs Begründung. Deutschland werde durch den Klimawandel in den folgenden Jahren stärker von Hitzewellen betroffen sein, so der Bundesgesundheitsministern weiter. Der Hitzetod sei nur die Spitze des Eisbergs. Viele Menschen würden zudem pflegebedürftig, weil sie beispielsweise einen Herzinfarkt oder nach einem Hitzschlag noch einen Schlaganfall erlitten. Als Inspiration für seinen Plan dient Frankreich oder Israel. Hier werden je nach Schwere einer Hitzewelle im ganzen Land Schutzmaßnahmen ausgelöst. Dabei kommen Kälteräume, Hitzepläne für Pflegeeinrichtungen und Kliniken und Kontaktaufnahmen mit alten Menschen, damit sie regelmäßig trinken, zum Tragen.
Pläne lassen auf sich warten
Lauterbach nimmt sich damit einer politischen Vernachlässigung an. Das Thema Hitze als Gesundheitsgefährdung wurde politisch lange Zeit nicht ernst genommen. Das erkennt man auch daran, dass eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe schon 2017 unter Führung des Bundesumweltministerium „Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit“ erstellt hat, diese aber bislang nur in ganz wenigen Kommunen erstellt wurden. Das zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie der Hochschule Fulda im Auftrag des Umweltbundesamtes.
Erstellt werden sollen solche Pläne zwar erst bis 2025. Die Hitze wartet aber nicht darauf, bis man in den Kommunen mit ihnen zurande kommt und wird auch diesen Sommer wieder ihre Opfer fordern. „Wir wissen, dass Hitzeperioden zu einer höheren Sterblichkeit in der Bevölkerung führen und insbesondere ältere Menschen betreffen“, so Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen. In den drei Sommern 2018 bis 2020 starben in Deutschland dem Robert-Koch-Institut zufolge sogar mehr als 19.000 Menschen aufgrund von Hitze.
Druck erhöht
Entsprechend haben die Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN)und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) zum Hitzeaktionstag am 14. Juni Druck gemacht und sofortige Maßnahmen gefordert. Die BAGSO fordert z. B. eine klimaangepasste Gebäude- und Freiraumplanung. Appelle ans individuelle Verhalten, im Sommer auf genug Flüssigkeit und Abkühlung zu achten, reichten nicht, da Pflegebedürftige nur eingeschränkt Einfluss auf ihr eigenes Verhalten nehmen könnten. Bei akuter Hitze seien sie häufig auf die Hilfe anderer angewiesen. „Wir sind an dem Punkt, wo wir konkrete Schutzmaßnahmen initiieren und umsetzen müssen“, betont Dr. med. Fabian Feil, Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts (NLGA).
Keine Pläne vor Ort
Dass hinsichtlich Hitzeschutzes auf Länder-und Bundesebene nun einiges in Gang kommt, wird Hans-Helmut Pein vom Seniorenbeirat Worpswede und Wolf-Rüdiger Baumgarten vom Seniorenbeirat Bremervörde freuen. Denn die beiden Vorsitzenden beklagten gegenüber dem ANZEIGER eine Tatenlosigkeit ihrer Gemeinde bzw. Stadt hinsichtlich des Schutzes von älteren Menschen gegen Hitze.
Und in der Tat: In Bremervörde, in Worpswede, in Osterholz-Scharmbeck und beim Landkreis Osterholz liegen keine Hitzeaktionspläne vor.
Bürgermeister Hannebacher in Bremervörde sieht auch nicht die Stadtverwaltung, sondern „vorrangig die entsprechenden Seniorenbetreuungs- und -pflegeeinrichtungen gefordert, sich entsprechend aufzustellen.“ Zudem sei keine Aufforderung seitens des Seniorenbeirats, einen Plan zu erstellen, an ihn herangetragen worden. Das wird sich ändern, so Baumgarten. Er und seine Kollegen werden das auf die Agenda setzen.
Ein flächendeckender Hitzeschutz im öffentlichen Raum sei laut Hannebacher außerdem schwer durchführbar. Aber: Bei der in Planung befindlichen Brunnenstraßensanierung seien Trinkwasserspender im öffentlichen Raum vorgesehen. Ähnlich fällt die Antwort von Bürgermeister Schwenke aus Worpswede aus. Es gebe zwar keinen Aktionsplan, der sei auch eher für Städte ohne viel Grün sinnvoll. „Was die bauliche Ausstattung in der Gemeinde Worpswede angeht, sind ländliche Gemeinden und insbesondere Worpswede m. E. ganz gut aufgestellt.“ Außerdem habe die Gemeinde einen Brunnen in der Bergstraße installiert. Trinken müsse man dann schon selbstständig. „Eigenverantwortliches Handeln kann die öffentliche Hand nicht vollständig ersetzen.“
Ob alte Menschen deshalb im Sommer mehr trinken sei fraglich, so Pein. „Wenn man mehr Flüssigkeit trinkt ,dann benötigt man auch öfter eine Toilette, die im öffentlichen Bereich teilweise schwierig zu finden sind.“ Aber Verwaltung und Seniorenbeirat wollen sich zusammensetzen, um das Thema weiter zu besprechen.
Dass die Städte mehr als das Land gefordert sind, weiß auch Osterholzer Baudezernent Manuel Reichel. Es gebe zwar keinen Hitzeaktionsplan, bei der Stadtplanung und -sanierung werde aber an allen Punkten darauf geachtet, das Klima der Stadt frischer und kühler zu halten. Durch mehr Bäume und Bachläufe. Darüber hinaus sollen Sitzbänke mit Nummern versehen werden, damit Menschen z. B. mit Hitze bedingtem Kreislaufproblemen dem Rettungsdienst ihren genauen Standort durchgeben können.
Der Landkreis gibt zur Auskunft, dass er sich dem Thema Hitzeschutz „im Gesundheitsamt gemeinsam mit Stadt und Gemeinden tiefergehend“ widmen werde. Bis weitergehende Maßnahmen beschlossen werden, verweist die Verwaltung auf ihren analogen wie digitalen Informationsflyer mit dem Titel „Richtig schützen bei Sommerhitze“. Hier kann man Alltagstipps erfahren und eine Warnapp u.a. für Hitzewarnungen runterladen.