Winters Wunderland
Komm, wir bummeln durch die Stadt! - Welch raritätischer Ausspruch, wer verbindet denn heutzutage damit noch dieses wohlige Gefühl von ausgedehnten Shopping-Touren durch die City mit Kaffee & Softeis-Pausen, solange bis die Schuhe rundgelatscht und die Geldbörsen leergekauft waren? Sieht man sich all die Geisterinnenstädte aktuell an, gibt es kaum noch Gründe, die ehemaligen Konsum-Hotspots aufzusuchen, gleichen diese aufgrund des hohen Ladenleerstandes doch eher einer Genier-Meile, das schlechte Gewissen klopft leise an, weil man ganz tief innerlich weiß, das unter anderem jeder persönlich getätigte Online-Kauf genau dafür gesorgt hat, dass unsere Innenstädte zu einem Eldorado für Lostplace-Fans mutiert sind.
Hertie, Horten, Karstadt oder Kaufhof - Namen so alt und schwer wie die der griechischen Götter, haben den digitalen Zahn der Zeit nicht überlebt und schwenkten schon vor langer Zeit die weiße Bettwäsche, 1-Euro-Shops und deren Verwandtschaft wurden Platzhirsche im vertrocknetem Revier. Aber laut einiger mehr oder minder bekannten Volksvertreter müssen wir wieder mehr Mobilität im eigenen Wagen wagen, damit Menschen im Automobil die Innenstädte besser erreichen können. Ein geradezu religiöses Bekenntnis zu des deutschen liebstes Kind wird dort eingefordert - Verkehrspolitik also aus der Zeit von Nierentisch und Wirtschaftswunder.
Dabei sollen ausgeklügelte Parkplatz-Flatrates nach dem Vorbild des 49,- Euro-Tickets, weniger Fahrradwege und mehr Betonflächen für PKW´s dafür sorgen, das die verwaisten Leerflächen der Innenstädte wieder von motivierten Unternehmer adoptiert und kauffreudige Massen zurück in die Städte gelockt werden. Ein sehr optimistischer Plan - nur leider ist Optimismus meistens nur ein Mangel an Information und genau dieser Weg eher Vollgas im Rückwärtsgang.
Vielleicht ist es jetzt wirklich an der Zeit, die schon fast abgegriffenen Sprüche wie „ Think global - buy local“ endlich zu leben, das Wochenende nicht mit dem Leersaugen von Streaming-Kanälen zu nutzen, die Dating-Apps zu deinstallieren und lieber die Menschen und Geschäfte vor Ort zu erleben - man glaubt ja gar nicht, was die echte Welt alles an schönen Überraschungen parat hält - lasst es uns herausfinden. Mit oder ohne Auto.