

Lilienthal. Wie können lokale Initiativen Ehrenamtliche gewinnen und halten? Wo findet im Vereinsleben (in-)direkte Ausgrenzung statt? Und wie lassen sich Menschen dazu motivieren, Ausgrenzung offen anzusprechen? Diesen Fragen widmeten sich die über 50 Teilnehmer*innen des jüngsten Lilienthaler Netzwerktreffens.
„Obwohl das Vernetzungstreffen der Freiwilligen Agentur Lilienthal bei uns schon lange Tradition ist, bin ich wieder einmal baff, wie viele ehrenamtliche Initiativen teilnehmen“, begrüßt Bürgermeister Kim Fürwentsches. Ihre freiwillige Arbeit sei im wahrsten Sinne unbezahlbar und zähle zu den wichtigsten Funktionen der Gesellschaft, betont der Lokalpolitiker. „Umso mehr freue ich mich, dass wir heute schauen, wo unsere Vereine gemeinsame Wege gehen und voneinander lernen können“, so Fürwentsches. Durch den Abend führte Netzwerkoordinatorin Regine Moll, die das Treffen mit aktuellen Vereinsnews begann. Ergebnisse der Diskussion wurden von Janine Lancker in einem Graphic Record festgehalten.
Regelmäßige Veranstaltungen gehören zur Engagementstrategie
„In einem mehrmonatigen Prozess haben wir eine umfangreiche Engagementstrategie erarbeitet, damit Lilienthal eine lebenswerte Gemeinde bleibt, in der Menschen aus Vereinen, lokaler Wirtschaft, Politik und ziviler Gesellschaft zusammenarbeiten“, erklärt Moll. Teil des vielschichtigen Planes sei unter anderem ein ‚Anpacken-Festival‘, das man 2026 umsetzen will. „Unser Ziel ist eine jährliche Veranstaltung, bei der sich Lilienthaler unter dem Motto ‚Gemeinsam feiern – gemeinsam leben‘ treffen“, berichtet Initiator Gabriel Goretzka. Momentan suche man einen Ort, um das Projekt zu realisieren und hoffe auf eine rege Teilnahme der Initiativen, denen man beim Fest die Präsentation der Vereinsarbeit ermöglichen will.
„Unterwegs sind auch unsere Engagementlotsen, die einen Überblick über das regionale Fundraising und die Öffentlichkeitsarbeit mitbringen und versuchen, Menschen vom lokalen Engagement zu überzeugen“, bemerkt Regine Moll. Eine aktive Möglichkeit bieten die Nachhaltigkeitswochen vom 1. September bis zum 8. Oktober oder die monatliche ‚Climate Challenge‘ der Bürgerstiftung Lilienthal. Engagierte Jugendliche von ‚Lilis Wohnzimmer‘ renovieren zudem einen Raum, in den man junge Erwachsene von 16 bis 25 künftig zu Podiumsdiskussionen oder musikalischen Events begrüßen möchte. Mitstreiter*innen sucht auch Mark Sender für den Lilienthaler Bürgerfunk, der erstmals 1996 mit ehrenamtlichen Radio- und Podcastbeiträgen auf Sendung ging.
„Toxische Zivilgesellschaften“
Ein Impulsvortrag von Prof. Dr. Gerhard Wegner - Landesbeauftragter gegen Antisemitismus - der über zivilgesellschaftliches Engagement angesichts Populismus und Radikalisierung sprach, bildete jedoch den Schwerpunkt des Treffens. „In den vergangenen Jahren ist unsere Gesellschaft um zwei Illusionen ärmer geworden“, so Wegner. Die Hoffnung, dass unsere Politik auf rationalen Aushandlungsprozessen beruht und das eine Zivilgesellschaft immer nur positive Absichten verfolgt. „Politische Debatten sind immer weniger von Vernunft bestimmt, sondern dienen mehr zur Freisetzung emotionaler Energien“, meint der Experte. Ein solches Gefühlsregiment zeige zwar im ersten Moment Wirkung und scheine vermeintlich positiv, vertusche aber eigentlich nur vergiftetes Denken, das dem radikalen Führungsstil zugrunde liege.
„Es gibt auch toxische Zivilgesellschaften, die rechtsradikale Politiker gezielt unterwandern und mit angeblichen Schreckensszenarien füttern“, erklärt Professor Wegner. Folglich entstehe eine Störung des bisherigen ‚Wir-Gefühls‘, das rechte Parteien auf Migrant*innen zurückführen und anhand negativer Erfahrungen belegen. „Subjektives Erleben wird auf das Gemeinwesen übertragen und damit ein Nährboden für Radikalisierung und Ausgrenzung geschaffen“, stellt Gerhard Wegner fest. Aufgabe der Politik sei es deshalb, über fiktives Gedankengut aufzuklären und die Migrationspolitik produktiv anzugehen.
„Hierzu muss sich die Haltung von Parteien ändern, die Demokratie weniger als faires Verfahren, sondern eher als Durchsetzung eigener Ziele auslegen“, findet er. Man müsse Wege des Dialogs finden und nicht immer nur einseitige Debatten führen. „Es geht darum, Gesprächssituationen zu erhalten und Menschen zu zeigen, dass sie als Menschen wichtig sind“, betont der Professor. Im Anschluss trafen sich deshalb Engagierte aus den Bereichen der Senioren, Inklusion, Migration, aus dem Sport, der Jugend und Queeren Community in einer moderierten Gesprächsrunde, um die Prävention von Ausgrenzung im eigenen Verein zu diskutieren.