Lena Stehr

Bund streicht Förderung für Sprach-Kitas

Niedersachsen. Kritik von vielen Seiten gibt es bezüglich der vom Bund geplanten Streichung des seit 2016 vom Bundesfamilienministerium geförderten Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“.

Im Rahmen des Programms konnten sich bisher in rund 6.900 Kitas knapp 7.500 zusätzliche Fachkräfte etwa 500.000 Kindern mit einer gezielten Sprachförderung widmen, die insbesondere Kindern aus sozial benachteiligten Familien zugute kommt. So ist zum Beispiel erwiesen, dass Dreijährige aus privilegierten Verhältnissen doppelt so viele Wörter verstehen wie Gleichaltrige aus ärmeren Familien.
Mit der überraschenden Entscheidung, das Programm - anders als im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbart - nun doch nicht verstetigen zu wollen, stehe eines der erfolgreichsten Bundesprogramme für frühkindliche Bildung vor dem Aus, heißt es dazu vom deutschen Kita-Verband. Dabei seien im Rahmen des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona“ die Mittel im vergangenen Jahr nochmals aufgestockt und 1.000 zusätzliche Sprach-Kitas geschaffen worden. Dazu zählt auch der Ev.-luth. Integrationskindergarten „Arche“ in Hambergen als einer von insgesamt zwölf Sprach-Kitas im Landkreis Osterholz.
 
Mittelschwere Katastrophe
 
Für Leiterin Minja Schaper ist die geplante Streichung eine „mittelschwere Katastrophe“, weil die dringend notwendige Sprachförderung - insbesondere für Kinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen - dann künftig nicht mehr so intensiv betrieben werden könne.
Derzeit kümmert sich Erzieherin Stefanie Heinsohn in der Kita als Zusatz-Sprachfachkraft 19,5 Stunden in der Woche ausschließlich um Sprachförderung. Zu ihren Aufgaben gehören unter anderem die Unterstützung des gesamten Kita-Teams bei der sogenannten alltagsintegrierten Sprachbildung, die Einrichtung einer Kita-Bücherei oder die Erstellung von Bilderbuchkinos auf dem Beamer, der mit Mitteln aus dem Förderprogramm angeschafft werden konnte.
Heinsohn ist zudem im Austausch mit einem Verbund aus 14 weiteren Sprach-Kitas, entwickelt Aushänge und Elternbriefe in einfacher Sprache, fungiert als direkte Ansprachpartnerin für die Eltern und kümmert sich um die Anschaffung und den Einsatz vielfältiger pädagogischer Materialen zum Thema Sprachförderung.
 
Mehr Multiprofessionalität
 
Angesichts des Fachkräftemangels (in Niedersachsen gibt es 3.700 offene Erzieher:innenstellen) habe das Sprach-Kita-Programm außerdem den Vorteil, dass damit Multiprofessionalität gefördert werde, betont Beate Szillat, Fachberaterin für Sprach-Kitas von der Einrichtung „Die Börne“ - Gemeinnützige Gesellschaft für Soziale Dienst mbH in Stade. Zu „ihrem“ Verbund gehört unter anderem die Sprach-Kita Vituszwerge in Zeven als eine von vier Sprach-Kitas im Landkreis Rotenburg.
So könnten etwa auch Germanistinnen oder andere Quereinsteiger:innen als Sprach-Fachkräfte in den Kitas eingesetzt werden. Läuft das Bundesprogramm aus, sei das per Gesetz nicht mehr möglich, so Szillat.
Börne-Geschäftsführerin Stefanie Mencke kritisiert, dass keine Anschlusslösung mit den Ländern vereinbart wurde und diese die Förderung so kurzfristig gar nicht übernehmen könnten. Außerdem sei ohnehin der ganze Ansatz schräg, sprachliche Bildung über Förderprogramme abzusichern. So seien Förderprogramme immer mit einem bürokratischen Aufwand verbunden und Antragstellende würden immer in eine Bittstellerrolle gedrängt. „Sprachförderung sollte aber selbstverständlich sein“, so Mencke.
 
Petition gestartet
 
Die Initiative #sprachkitas-retten weist zudem darauf hin, dass die Gelder aus dem Gute-Kita-Gesetz für den Erhalt der Sprach-Kitas nicht ausreichen bzw. bereits für andere Zwecke eingesetzt werden - in Niedersachsen zum Beispiel für die Umsetzung der Beitragsfreiheit, die vor allem Besserverdienende entlastet.
Zur Rettung der Sprach-Kitas hat die Initiative eine Bundestags-Petition gestartet. Kommen mindestens 50.000 Unterschriften zusammen, gibt es im Bundestag eine verpflichtende Anhörung.
www.sprachkitas-retten.de


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