Den „Übergang“ begleiten
Im Jahr 2019 waren offiziellen Statistiken zufolge rund 26.000 Hebammen und Entbindungshelferinnen in Deutschland aktiv. Im Landkreis Osterholz sind 35 Hebammen tätig, davon 20 freiberuflich, neun freiberuflich und im Krankenhaus sowie sechs im Krankenhaus. Im Landkreis Rotenburg sind 46 Hebammen gemeldet. Davon sind 24 Hebammen freiberuflich, zehn angestellt sowie zwölf Hebammen angestellt und freiberuflich tätig.
Hebamme Sabine Huß aus Godenstedt (Samtgemeinde Selsingen) zählt zu denen, die vor knapp zehn Jahren aufhörten, außerklinische Geburten zu betreuen, weil die Versicherungsbeiträge für die notwendige Berufshaftpflichtversicherung enorm gestiegen waren. Viele Teilzeit-Hebammen gaben damals ihre Freiberuflichkeit ganz auf.
Versorgungsprobleme in ländlichen Regionen
Dabei sind insbesondere Frauen in ländlichen Regionen auf freiberuflich tätige Hebammen angewiesen, die sie während der Schwangerschaft (auch im Falle einer möglichen Fehlgeburt), dem Wochenbett und der Stillzeit, bzw. bei der Rückbildung betreuen. Die Kosten dafür übernimmt übrigens die Krankenkasse.
„Auch ich musste schon Frauen ablehnen, die es vorher bereits vergeblich bei zehn anderen Hebammen versucht hatten“, sagt Sabine Huß, die während ihrer 30-jährigen Tätigkeit als Hebamme bereits in verschiedenen Kranken- und Geburtshäusern sowie in einer gynäkologischen Praxis, sowohl im angestellten Verhältnis als auch freiberuflich gearbeitet hat, und in einem Radius von 25 Kilometern Frauen betreut.
Hohe Belastung, hohe Anforderungen
Sie kann verstehen, dass es inzwischen immer mehr Frauen gibt, die sich gegen den Hebammenberuf entschieden, auch wenn sie ihn grundsätzlich vielleicht gerne ausüben würden. Die Belastung sei - im Gegensatz zur Bezahlung - sehr hoch: vom Schichtdienst im Krankenhaus über die hohe Verantwortung bis zu vielen bürokratischen Auflagen, die in den vergangenen Jahren dazu gekommen seien. Zudem müssen angehende Hebammen seit Januar 2020 ein Bachelorstudium absolvieren. Das „duale praxisintegrierendes Studium“ umfasst mindestens 2.200 Stunden Theorie und mindestens 2.200 Stunden Praxis in Kliniken und im außerklinischen Bereich bei freiberuflichen Hebammen.
Sabine Huß fürchtet, dass diese Akademisierung des Berufs auch dazu führen könnte, dass einige Frauen, die den Beruf gerne ausüben würden und auch ein Händchen dafür hätten, an den neuen Anforderungen scheitern.
Den Übergang begleiten und Ängste nehmen
Doch auch wenn die Anforderungen höher und die Bedingungen schwieriger wurden und werden, am Sinn ihres Berufs habe Sabine Huß nie gezweifelt, sagt sie. „Eine Hebamme begleitet beim Übergang zum Mutterwerden die Frauen und Familien in einer emotionalen Ausnahmesituation und hilft den Müttern dabei, ihren eigenen Weg und die Kraft zu finden, es alleine zu schaffen“, sagt Sabine Huß. Und zwar auch, wenn die Frauen ihr Baby verlieren. „Viele Mütter wissen nicht, dass sie auch im Falle einer Fehlgeburt Anspruch auf die Betreuung durch eine Hebamme haben“, sagt Sabine Huß.
Auf die Frage, was sich in den vergangenen 30 Jahren am gravierendsten bei den werdenden Mütter verändert habe, muss die Hebamme nicht lange überlegen. Die Frauen seien heute viel stärker verunsichert und ängstlicher, weil sie alles „erstmal googeln“ würden. „Und genau da kommen wir wieder ins Spiel, denn unser Job ist es auch, Ängste zu nehmen“, sagt Sabine Huß.