Ralf G. Poppe

Expertenrunde diskutierte über Wolfsrisse an der Oste

Auf Einladung der CDU kamen Vertreter aus Landwirtschaft, Jägerschaft, Naturschutz und Politik mit Interessierten zum sachlichen Austausch zusammen.

Organisator und Moderator Dirk Frederik Stelling (v. li.) mit Dr. Holger Buschmann, Jürgen Cassier, Alexander von Hammerstein, Wolfgang M. Schüßler und Helmuth Blauth.

Organisator und Moderator Dirk Frederik Stelling (v. li.) mit Dr. Holger Buschmann, Jürgen Cassier, Alexander von Hammerstein, Wolfgang M. Schüßler und Helmuth Blauth.

Bremervörde. Der örtliche Gemeindeverband der CDU hatte fünf Experten zur „Bremervörder Runde“ in das Hotel Daub eingeladen, um u.a. die Wolfsrisse an der Oste zu diskutieren. Ob es sich dabei nun um Ausnahmen oder eine neue Normalität handelt, konnten die von Dirk-Frederik Stelling souverän moderierten Wortbeiträge mit anschließender Publikumsdiskussion allerdings nicht endgültig klären.

Wie sehr das Thema „Wolf“ die Bevölkerung interessiert, zeigt die Tatsache, dass der Veranstaltungsraum im Hotel Daub mit gut 90 Personen bis auf den letzten Platz besetzt war.

 

Bericht des Wolfsberaters

 

Der Abend startete mit einem Vortrag des Sottrumers Jürgen Cassier. Er ist einer von den laut NLWKN fünf Wolfsberatern für die Region Rotenburg. Vor den Augen von Landrat Marco Prietz, Bremervördes Bürgermeister Michael Hannebacher, dem ersten Vorsitzenden des NABU-Kreisverbandes Bremervörde-Zeven, Walter Lemmermann, sowie weiteren Vertretern aus Politik, Jagd und Landwirtschaft veranschaulichte er anhand von Fotomaterial u.a., wie sich ein Wolf fortpflanzt, bzw. wie man ihn überhaupt zweifelsfrei erkennen kann.

Nach über 100 Jahren Abwesenheit habe sich der Wolf in Niedersachsen wieder vollständig etabliert. Die seit 1980 durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützten Tiere wanderten aus benachbarten Ländern nach Deutschland ein. Im Jahr 2000 wurden durch ein aus Polen eingewandertes Wolfspaar die ersten Welpen seit Rückkehr der Wölfe in der Lausitz in Sachsen geboren. Zunächst breitete sich die Population in Richtung Norddeutschland aus, mittlerweile gebe es auch in anderen Teilen Deutschlands wieder territoriale Vorkommen.

Ende 2021 konnten mehr als 160 reproduzierende Rudel in der Bundesrepublik bestätigt werden. Ein solches Rudel bestünde bei den sehr sozial in Familiengruppen lebenden Tieren neben einem Elternpaar aus Jährlingen und Welpen. Mit dem Erreichen der Geschlechtsreife zwischen elf und 22 Monaten verließen die Jungtiere das Rudel, um sich ein eigenes Territorium zu suchen. Dabei wanderten sie bis zu 70 km an einem Tag.

 

Pro und Contra

 

Anschließend thematisierten Alexander von Hammerstein (Vorsitzender vom Landvolk Niedersachsen Kreisverband Bremervörde-Zeven e.V.) aus Bockel, Wolfgang M. Schüßler (Sprecher der Regionalgruppe Elbe-Weser-Dreieck in der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V.) aus Geestland-Meckelstedt, Dr. Holger Buschmann (NABU-Landesvorsitzender Niedersachsen) aus Schaumburg sowie Helmuth Blauth (stellvertretender Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen e.V.) aus Delmenhorst ihre Aufgaben, Wünsche, Sorgen und Ängste betreffend der mittlerweile rund 550 in Niedersachsen lebenden Wölfe.

Es folgte eine Diskussion mit den Gästen. Da sich scheinbar mehr Jäger und Tierhalter als Vertreter von Naturschutz-Organisationen im Raum befanden, fanden sich eher mehr Befürworter von „Wolfsentnahmen“ (= Abschuss) im Raum. Dennoch spiegelte die sehr respektvolle und besonnen geführte Diskussion verschiedenste Meinungen wider. Es wurde lebhaft debattiert, ob die sechs im Landkreis Rotenburg (Wümme) lebenden Rudel dem Menschen gefährlich werden können, und wie die rechtliche Betrachtung von Grenzüberschreitungen zu werten sei.

 

Fazit

 

Moderator und CDU-Vorsitzender Dirk Frederik Stelling gab zum Abschluss des Abends noch jedem der Redner die Möglichkeit für ein eigenes Fazit. Blauth konstatierte, dass „wir“ schon viel weiter wären als in der Diskussion vor Ort. Denn die Ampel-Koalition aus SPD/Bündnis 90-Die Grünen und FDP habe bereits ein regional differenziertes Bestandsmanagement verschriftlicht. „Die Umweltkonferenz hat gesagt, für Niedersachsen sind 250 Wölfe genug. Wir müssen jetzt nur Umsetzen, was beschlossen wurde“, so Blauth.

Cassier betonte noch einmal die Wichtigkeit der Aufgabe der Wolfsberater, die Öffentlichkeitsarbeit gut auszuführen, und bat um die Unterstützung der Bevölkerung. Dann zitierte er das Jagdgesetz (§ 28b, NJagdG, Absatz 9): „An der systematischen Erfassung, Beobachtung und Überwachung des Wolfes (Monitoring) sollen die Jagdausübungsberechtigten im Rahmen ihrer Hegeverpflichtung mitwirken.“

„Die Veranstaltung war ein gelungener, sachlicher Abend“, sagte von Hammerstein. Was er gedanklich mitgenommen habe, sei die Bestätigung, „dass die Ängste und Sorgen teilweise nicht wahrgenommen werden.“ Sie wären im ländlichen Raum bislang in einigen Bereichen der Gesellschaft nicht angekommen, vielleicht auch ignoriert worden. „Das macht mir ein wenig Angst“, so von Hammerstein.

Schüßler mahnte, man solle die Sorgen der Betroffenen mitnehmen: „Die Bitte geht an die Verwaltung und die Politik: Machen sie sich sachkundig, fragen sie nach. Binden sie Hobbytierhalter mit ein.“ Es müsse endlich gehandelt werden.

Als letzter Redner bedankte sich Buschmann bei allen Beteiligten für die sachlichste Diskussionsrunde, die er bislang zum Thema Wolf erleben durfte. „Wenn man miteinander spricht, kann man Argumente aufnehmen.“ Das sei extrem wichtig. Für ihn sei der Aspekt mit dem Schwein sehr spannend gewesen – weil die Freilandhaltung von Schweinen in Niedersachsen bislang kaum eine Rolle spiele. Eine Schweinezüchterin hatte im Verlauf der Diskussionsrunde auf das Problem aufmerksam gemacht. Buschmann versprach, in einem demnächst stattfinden Gespräch mit dem Landwirtschafts-Kammerdirektor auf den Punkt aufmerksam zu machen. Im Endeffekt müsse das aber die Politik regeln.


UNTERNEHMEN DER REGION