Kapital sucht Arbeit
Landkreis. Im Jahr 2023 gab es laut Statista in Deutschland 73.444 unbesetzte Ausbildungsstellen. Dem gegenüber standen 26.381 Bewerber:innen, die bis zum Stichtag (30. September) keinen Ausbildungsplatz erhalten haben. Auch Niedersachsen ist vom Ausbildungsmangel betroffen. In diesem Jahr waren Ende Juni noch über 20.000 Lehrstellen unbesetzt. „Es gibt gute Chancen, noch in diesem Jahr eine Ausbildung zu beginnen“, sagt der Landeschef der Agentur für Arbeit in Niedersachsen und Bremen Johannes Pfeiffer. Oliver Kriebel von der Handwerkskammer Bremen gab an, dass es erfahrungsgemäß noch viel Bewegung auf dem Arbeitsmarkt geben werde. Viele Betriebe starten ihre Ausbildungen erst zum 1. September oder noch später.
Rückläufige Zahlen
Seit Jahren gehen die Zahlen der Ausbildungsbetriebe, die wirklich ausbilden, zurück. Der Deutsche Gewerkschaftsbund Niedersachsen (DGB) gab an, dass zwischen 2011 und 2023 die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge um 17 Prozent zurückgegangen sei. Hinzukommt, dass die Industrie- und Handelskammer Niedersachsen (IHKN) vermutet, dass viele Betriebe ihre offenen Stellen gar nicht mehr melden, wie es auf Nachfrage des NDR Niedersachsen heißt. Jeder zweite Betrieb könne nicht mehr alle Lehrstellen besetzen. Und jedes dritte Unternehmen hat erst gar keine Bewerbungen erhalten.
Besonders schwer hätten es dabei die Gastronomie und die Baubranche. Doch auch der Einzelhandel hat es laut IHK-Informationen schwer, Auszubildende zu bekommen.
Mögliche Gründe
Ein Grund für die vielen offenen Stellen könne sein, dass Angebot und Nachfrage oft nicht übereinstimmen. Unter anderem sei die mangelnde Berufsorientierung an Schulen dafür verantwortlich, so der DGB. Im Jahr 2022 veröffentlichte die DGB-Jugend ihren Ausbildungsreport, in dem über 70 Prozent der niedersächsischen und bremischen Auszubildenden angaben, „dass ihnen die schulische Berufsorientierung wenig oder gar nicht geholfen hat“. Aus diesem Grund hat der DGB zusammen mit den Unternehmerverbänden Niedersachsen (UVN) und der Bundesagentur für Arbeit ein Positionspapier veröffentlicht. Darin stellen sie an die Landesregierung die Anforderung, konkrete Verbesserungsvorschläge anzugeben. Ziel sei es, dass die berufliche Orientierung den Schritt von der Schule in den Beruf verbindlicher gestaltet.
Ausbildungsplätze im Landkreis Osterholz
Im Landkreis Osterholz seien laut Sprecherin Sabine Schäfer zum aktuellsten Datenstand Juni 2024 insgesamt 240 Ausbildungsstellen unbesetzt. Sie sagt jedoch, wie Kriebel von der Handwerkskammer Bremen auch, dass der Wert erfahrungsgemäß bis September auf etwa 80 Stellen sinken werde.
Auch hier gibt es einige Branchen, die es besonders schwer haben, Auszubildende zu finden. Laut Schäfer unterscheide sich die Situation im Landkreis Osterholz nicht wesentlich von der in Niedersachsen allgemein. Da der Landkreis jedoch von mittelständischen Unternehmen geprägt sei, dominieren die Ausbildungsstellen Handwerk, Handel, Einzelhandel, Erziehung und Pflege. „Diese Branchen sind durchaus beliebt, stehen allerdings mengenmäßig im Landkreis Osterholz auch so im Vordergrund, dass es trotzdem Probleme gibt, alle angebotenen Ausbildungsplätze zu besetzen“, erklärt Schäfer.
Ausbildungsplätze im Landkreis Rotenburg
Im Landkreis Rotenburg sehen die aktuellen Zahlen noch ein wenig drastischer aus. Bei der Agentur für Arbeit Stade, die für den Landkreis Rotenburg zuständig ist, sind aktuell noch 501 freie Ausbildungsstellen registriert. Davon ist der Beruf als Verkäufer:in bislang am wenigsten besetzt, wie eine aktuelle Tabelle der Agentur angibt. Am beliebtesten bei den Ausbildungssuchenden ist der Beruf als Kaufmann/-frau.
Laut der Tabelle stehen zur Zeit noch 26 Stellen im kaufmännischen Bereich offen. Dem gegenüber stehen 14 Ausbildungssuchende, die gerne diesen Job machen würden. Theoretisch würde es also passen, dass alle noch ihren Wunschjob in dem Bereich ergattern, doch so einfach gerechnet sei die Sache in Wirklichkeit nicht. „Erreichbarkeit, Attraktivität in welchem Unternehmen gesucht wird und Mobilität sind große Faktoren, die die Suche nach einem geeigneten Platz beeinflussen“, erklärt Susanne Serbest von der Arbeitsagentur Stade. Besonders die Mobilität gestaltet sich auf dem Land schwierig, wenn die Suchenden noch keinen Führerschein oder ein Auto hätten.
Die Berufsbranchen, die es schwer haben Auszubildende zu finden, seien laut Serbest das Handwerk, besonders das Lebensmittelhandwerk, und die Pflegeberufe. Dies seien Berufe, die man auch ohne Abitur oder Fachabitur absolvieren könnte. Doch viele Jugendliche und junge Erwachsene denken, dass sie studieren sollten, wenn sie Abitur oder Fachabitur haben, denkt Serbest.
Heutzutage herrscht ein Bewerbermarkt. „Früher waren die Jugendlichen auf der Suche nach Ausbildungsplätzen. Mittlerweile sind die Betriebe auf der Suche nach Jugendlichen“, sagt Serbest.
Für die restliche Zeit, in der sich noch für einen diesjährigen Ausbildungsplatz beworben werden kann, bleibt nur zu hoffen, das sich die jungen Menschen den Rat der Experten zu Herzen nehmen und die Wirtschaft mit ihrem Können unterstützen.