Wasser als politischer Sprengstoff
Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Gleichfalls eine nicht unendlich verfügbare Schlüsselressource und entwicklungsbegrenztes Produktionsmittel. Während die Nachfrage ständig steigt, vermindern klimatische Veränderungen infolge unseres Energiehungers seine Verfügbarkeit.
Daher könnten durch grenzüberschreitende Wasserverknappung internationale Verteilungskonflikte entstehen, referierte Jörg Barandat im Auftrag der GSP (Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V.) vor zahlreichen Interessierten im Kundencenter der EWE.
Barandats Vortrag beleuchtete die Ressource Wasser in unterschiedlichsten Facetten, um dabei u.a. dessen Wechselwirkungen zu verschiedenen Politikfeldern aufzuzeigen. Dabei war es keine Überraschung, dass der Wunsch nach guter Wasserpolitik bzw. -diplomatie mit grenzüberschreitendem, nachhaltigem Wassermanagement als Instrument in der Konfliktprävention und Streitbeteiligung mehr Fragen aufwarf, als er beantworten konnte.
Barandat, ehemaliger Berater im Auswärtigen Amt und Referent für Militärpolitik im Bundesministerium der Verteidigung, brachte nicht nur die Ernsthaftigkeit des Themenkomplexes auf den Punkt, sondern schaffte es „spielend“, mit einem Mobilee zu demonstrieren, wie schnell ein Gleichgewicht kippen kann.
Wasser als operativer Faktor
Zentrale strategische Faktoren - neben Wasser z.B. Klima und Energie - in der sicherheitspolitischen Trendanalyse wurden ebenso diskutiert wie Expertenwissen, dass von Barandat humoristisch mit „Experten wissen nichts“ umschrieben wurde. Wasser spielte als operativer Faktor bereits in der militärischen Planung sowohl des Ersten als auch des Zweiten Weltkriegs eine eminent wichtige Rolle. „Bei unserer Versorgung war das größte Problem das Trinkwasser“, wird in der Präsentation z.B. Werner Mork zitiert, der 1942 als Soldat in Nordafrika diente. In London findet man heute noch mit einem weißen Kreuz gekennzeichnete Wasservorratsstellen, die damals angelegt worden waren, um die Versorgung sicherzustellen, falls wichtige Quellen bei einem Bombenangriff zerstört werden sollten.
Wasser als Waffe
1943 wurde die Edertalsperre mit vier Tonnen schweren Spezialbomben attackiert, um Wasser als Waffe einzusetzen. Ähnliches passierte im Irak beim Kampf gegen den IS am Mosul-Damm. Im „Kalten Krieg“ nutzte die Nationale Volksarmee IFA G5 Tankwagen mit einem Fassungsvermögen von 4.000 Litern Trinkwasser, die US-Armee setzte im Golfkrieg AM General M931 Trucks ein. Denn der Trinkwasserbedarf eines Soldaten pro Tag liegt im Mindestbedarf bis zur Herstellung einer bedarfsgerechten Versorgung bei 10 Litern, als Standardtagesbedarf gar bei 70 Litern. Davon entfallen 20 Liter auf den direkten Verzehr sowie zur Zubereitung von Verpflegung, weiter zur Körperpflege, zur Wäsche der Bekleidung bzw. Reinigung der persönlichen Ausrüstung.
Bei bis zu 50.000 Soldatinnen würden täglich 350.0000 Liter täglich benötigt. Beispiel: In Afghanistan wurden von der ISAF (International Security Assistance Force) 47.000 Personen als Streitkraft eingesetzt, zur KFOR (Kosovo-Truppe) gehörten 1999 rund 50.000 und 2008 rund 16.000 Menschen.
In Indien brachte ein Zug 2019 erstmals 2,5 Millionen Liter Wasser in die Millionenmetropole Chennai (6,5 Millionen Einwohner:innen; die Stadt trug bis 1996 den Namen Madras). Jeder Waggon des eingetroffenen Versorgungszuges war mit 50.000 Litern gefüllt. Die Anreise aus dem 217 Kilometer entferntem Jolarpet dauerte rund fünf Stunden. Weitere Lieferungen aufgrund anhaltender Trockenheit folgten.
Barandat kommunizierte im Zusammenhang zu den Wasser- und Gefechts-Planungen der ISAF in Afghanistan ein Zitat, dass z.B. John Thompson (Präsident vom Mackenzie Institute) sowie dem US-General Omar N. Bradley zugeschrieben wird. Es besagt, Amateurinnen würden über Strategien sprechen und Dilettantinnen über Taktik reden, während wirkliche Profis die Logistik (der Wasserversorgung) diskutieren.
Weltweiter Wasservorrat
Für die menschliche Nutzung aus dem Kreislauf verfügbarer und erreichbarer Süßwassermengen stehen mit 46.000 Milliarden Kubikmetern lediglich 0,035 % (Grundwasser in über 800 Metern Tiefe; davon 0,65 % im Grundwasser unter 800 Metern Tiefe) des gesamten Weltwasservorrates (Salzwasser und Süßwasser) von 1357506000 Milliarden m3 zur Verfügung. Das „blaue Gold“ bzw. der Wasserkreislauf erneuert sich zwar permanent, ist aber nicht vermehrbar.
Umweltstress verhindert friedliche Konfliktlösung
Um den Kollaps zu vermeiden, müssen unbedingt neue Gleichgewichte geschaffen werden. Fazit (eines Berichts der Bundesregierung über die Umsetzung des Aktionsplans „zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung aus dem Jahre 2008): Die Hauptthese der Risikoanalyse ist, dass sich der zunehmende Umweltstress negativ auf die Anpassungsfähigkeit von Gesellschaften, und damit auch auf deren Fähigkeit zur friedlichen Konfliktbearbeitung auswirken kann.