Tom Boyer

Applaus reicht nicht aus: Erzieher:innen streiken für bessere Arbeitsbedingungen

Landkreis. Insgesamt mehr als 30.000 Beschäftigte des Sozial- und Erziehungsdienstes haben am 2., 4. und 5. Mai in Streiks deutlich gemacht, dass sie in der nächsten Verhandlungsrunde einen Durchbruch erwarten. Auch im Landkreis gingen Menschen auf die Straße.
Circa 500 streikende Erzieher:innen aus den Landkreisen Osterholz, Verden, Cuxhaven, Stade, Rotenburg, Nienburg und Diepholz zogen vor das Osterholzer Kreishaus.

Circa 500 streikende Erzieher:innen aus den Landkreisen Osterholz, Verden, Cuxhaven, Stade, Rotenburg, Nienburg und Diepholz zogen vor das Osterholzer Kreishaus.

Als Reaktion auf die gescheiterten Tarifverhandlungen für die 330.000 Beschäftigten am 22. März, rief ver.di am 2., 4. und 5. Mai erneut bundesweit zu Streiktagen für Sozial- und Erziehungsdienste auf. Mit diesen Streiks soll der Druck auf den Arbeitgeberverband weiter erhöht werden, um in der dritten Verhandlungsrunde am 16. und 17. Mai im Potsdam letztendlich eine Aufwertung der sozialen Berufe zu erzielen.
Auch in Osterholz fand ein solcher Streik statt: 500 Menschen aus den sieben Landkreisen Osterholz, Verden, Cuxhaven, Stade, Rotenburg, Nienburg und Diepholz nahmen teil.
Die Demonstration führte die Teilnehmenden von der Osterholzer Stadthalle nach Zwischenkundgebungen letztendlich zur Kreisverwaltung Osterholz-Scharmbeck, wo sie auf Landrat Bernd Lütjen trafen. Es gab zahlreiche Banner, die den Unmut oder Forderungen verkündeten: „Applaus reicht uns nicht aus“, „Mehr braucht mehr, weil Kitas keine Aufbewahrungsstätten sind“ oder „Was seid ihr? - Systemrelevant!“
 
Überstrapazierte Erzieher:innen
 
„Es gibt zu wenige Fachkräfte. Wir haben mittlerweile 25 Kinder in den Regelgruppen, das ist eine große Belastung für die Fachkräfte. Die Ausbildung wird weiterhin nicht finanziert. Da muss etwas passieren, mehr Menschen müssen wieder Lust verspüren in den Kitas zu arbeiten, nur so kann der Fachkräftemangel beendet werden“, erklärt die Erzieherin Henze Uhlemann. Und Florian Kück, ebenfalls Erzieher, äußert sich wie folgt: „Erwartet wird von uns immer mehr Leistung und ein höher gestellter Bildungsauftrag. Wir erwarten bessere Bedingungen und eine angemessene Bezahlung.“
Volker Selent, Gewerkschaftssekretär im Verdi-Bezirk Bremen-Nord Niedersachsen sagt, dass Zwei Punkte von zentraler Bedeutung seien: „Einmal die finanzielle Angleichung von männerdominierten Berufen wie Technikern oder Ingenieure, denn frauendominierte Berufe aus der sozialen Arbeit beziehen durchschnittlich deutlich weniger Gehalt, und das obwohl sie auf dem gleichen Bildungsniveau sind. Weiterhin werden die Erzieher:innen durch die ständige Vergrößerung der Gruppen überstrapaziert, da der Personalschlüssel unverändert bleibt.“
 
Mehr Kinder ohne Entlastung
 
In regelmäßigen Abständen wie in den Jahren 2009, 2015 oder nun durch den Ukraine-Krieg, also durch Krisen, würden im besonderen Maß eine Vielzahl neuer Kinder in den KiTas aufgenommen. Bei unverändertem Personaldeckel und keiner Entlastung sei dies für die Erzieher:innen unzumutbar. Es sei kein Widerspruch trotz Fachkräftemangel mehr Personal zu fordern, denn unter diesen Bedingungen würden viele Kollegen nicht länger durchhalten, so Selent. „Wir benötigen eine Entlastung durch die Arbeitgeber, dort wo die Bedingungen gut sind, bleiben die Kollegen auch.“ Viele Interessenten würden sich letztlich nicht für den Beruf im Sozial- und Erziehungsdienst entscheiden, weil die Bezahlung verglichen mit ihrer Bildung nicht angemessen sei. „Wir wollen ein vernünftiges Ergebnis, eine echte Aufwertung, mehr als nur Krümel!“ fordert Selent.
 
Verhungern am langen Arm
 
Auf der Abschlusskundgebung verdeutlichten verschiedene Redner:innen Bernd Lütjen die Problematik noch einmal und machten klar, dass sie bei ausbleibendem Ergebnis weiter streiken würden. Zusätzlich händigten sie ihm Plakate mit Fotografien der Demonstrierenden aus den beteiligten Landkreisen aus.
Nele Heyer resümiert in ihrer Rede: „Heute Streiken wir für mehr, als für ein höheres Entgelt. Wir sind hier, um uns für mehr Anerkennung von frauendominierten Berufen einzusetzen. In der Endstufe verdienen Erzieher:innen immer noch rund 280 Euro weniger als Techniker. Wir können im Alltag oftmals nur noch die Grundversorgung der Kinder gewährleisten. Was ist denn mit dem Bildungsauftrag der im Kitagesetz verankert ist? Was ist mit den Anforderungen, die gestellt werden, um die Kinder bestmöglich in ihrer Entwicklung unterstützen zu können? Anstatt, dass sich dafür eingesetzt wird, dass wir diese Arbeit, zu der wir verpflichtet sind, ordentlich erledigen können, lässt man uns am langen Arm verhungern. Mehr Priorität bei den Kindern bedeutet weniger Probleme für sie in der Zukunft. Mehr Priorität für unsere Arbeit bedeutet mehr Qualität und weniger Krankenstand!“
Lütjen bestätigt, dass auch er auf ein Ergebnis in den kommenden Verhandlungen hoffe. Allerdings entgegnet er, dass die Maximalforderungen von der VKA nicht erfüllt werden könnten. Diese würden das Tarifsystem des öffentlichen Dienstes sprengen. Dabei hebt er darauf ab, dass bereits 2009 und 2015 der Berufsstand der Erzieher:innen durch Sonderrunden deutlich aufgewertet worden sei.


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