„Schlag ins Gesicht“: Mangelnde Umsetzung der Barrierefreiheit im ÖPNV
Niedersachsen/Bremen (eb/pvio). Beim ÖPNV mangelt es nicht an Strecken und Verbindungen. Auch am Ausbau der Barrierefreiheit hapert es, wie der Sozialverband VdK kritisiert.
Bis Anfang 2022 sollten Barrieren im öffentlichen Nahverkehr eigentlich abgeschafft sein - dieses Ziel sei weder auf Bundes- noch auf Landesebene erreicht worden. Für den Sozialverband VdK Niedersachsen-Bremen sei das nicht hinnehmbar. „Das Verfehlen dieser Vorgabe aus dem Behindertengleichstellungsgesetz wird von Seiten der Politik nur mit einem Schulterzucken abgetan. So ein Verhalten ist ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die darauf angewiesen sind. Barrierefreiheit sollte grundsätzlich oberste Priorität haben. Neben dem öffentlichen Nahverkehr gehören auch barrierefreie Wohnungen, Arztpraxen und Einkaufsmöglichkeiten zu einer barrierefreien Gesellschaft“, erklärt VdK-Landesvorsitzender Friedrich Stubbe.
Dass Barrierefreiheit noch lange nicht selbstverständlich ist, zeige ein Beispiel der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG). In neu angeschafften Zügen der LNVG sei auf elektrische Rampen verzichtet sowie in allen Zügen der LNVG zudem die Anzahl der Rollstuhlplätze halbiert worden. „Wie eine Landesbehörde solch einen Rückschritt zulassen kann, ist für uns völlig unverständlich, wo der jährliche Aktionsplan Inklusion doch ein barrierefreies Niedersachsen anstrebt“, empört sich Stubbe und verlangt einen Nahverkehr, der für alle Menschen ohne Hürden nutzbar ist. Gleiches gelte auch für den Aufpreis für Taxifahrten von Menschen mit Behinderung, der in Teilen von Niedersachsen geplant oder sogar schon umgesetzt ist. „Zusätzliche Kosten für bestimmte Personengruppen stellen nicht nur eine weitere Barriere dar, sondern sind darüber hinaus in höchstem Maße diskriminierend“, macht der VdK-Chef deutlich.
Nach Ansicht des VdK Niedersachsen-Bremen sei zudem eine barrierefreie Krisenkommunikation zwingend erforderlich. „Die Corona-Pandemie, aber auch regionale Naturkatastrophen haben gezeigt, dass Menschen mit Behinderung in Notsituationen weitaus stärker gefährdet sind, weil sie etwa Warnhinweise nicht hören können bzw. die notwendigen Beratungsangebote nicht kennen oder nicht verstehen“, erläutert Stubbe und verlangt: „Schutzinformationen müssen für alle Menschen verständlich und zugänglich sein.“ Für dauerhaft eingeschränkte Personen ist Barrierefreiheit ein Muss. Für vorübergehend Gehandicapte wie Schwangere, Alte oder Kranke ist sie wenigstens zeitweise wichtig. Grundsätzlich sei Barrierefreiheit aber für alle Personengruppen praktisch und sollte daher eine Selbstverständlichkeit werden, verlangt der Sozialverband VdK von den Verantwortlichen im Land.