Die goldene Feder
„Denkt Euch ich, habe das Christkind gesehen„
So jedenfalls fängt ein Gedicht an, dass wir in Kindertagen oft aufsagen durften. Aber ich habe, als Kind das Christkind beinahe gesehen; ich bilde mir das jedenfalls ein.
Aber nun der Reihe nach. Ich war wohl so 3-4 Jahre alt. Meine Eltern hatten eine Bäckerei in Gotha/Thür. Hier gab es zu Weihnachten immer viel zu tun, aber auch gute Sachen zu essen. Zum Beispiel der gute Stollen mit Butter und Rosinen.
Nur es gab da ein Problem. Ich mag einfach keine Rosinen.
Aber meine Mutter wollte immer, dass ich den Stollen so esse, wie er war. Listig wie ich war habe ich die Rosinen aus den Stollen heraus gepuhlt und in die Hosentasche gesteckt. Wir hatten ein schönes Klavier, wo ich auch später Unterricht bekam. Dann passte ich den Augenblick ab, wo meine Mutter im Laden war und habe den Inhalt meiner Hosentasche hinter das Klavier geschmissen. Ich wusste, hier wird nicht täglich sauber gemacht. Nun soweit so gut. – Es wurde Weihnachten. Traditionsgemäß kam bei uns immer ein Weihnachtsmann. Und in diesem Jahr drohte er mir: „Ich soll nicht immer die Rosinen hinter das Klavier werfen.“ Damals fragte ich mich: “Woher weiß er das?“
Ich bekam rote Ohren und versprach das nie wieder zu machen. Mein Vater erzählte mir: „Der Weihnachtsmann hat seine Helfer – das Christkind und die Helfer beobachten alles. Das ganze Jahr hindurch.“
Ich ging betrübt zum Fenster, um hinauszusehen. Das Fenster war ein Stück offen und auf der Fensterbank lag eine goldene Feder. Die war richtig hübsch.
„Oh, seht mal hier“, rief ich „eine goldene Feder, wo kommt die denn her?“
Meine Mutter sagte: „Vom Christkind, das hat dem Weihnachtsmann berichtet und ist wieder weggeflogen. Das Christkind sah toll aus. Mit Krone und Umhang und alles aus Gold“ ich staunte nicht schlecht und habe diese Geschichte weiter erzählt. Erst meinen Kindern, dann meinen Enkeln und demnächst meiner Urenkelin. Die Feder habe ich aufgehoben und lege diese jedes Jahr Weihnachten auf die Fensterbank, als Zeichen für Frieden und Freude auf der ganzen Welt.
Helmut Büchner