Die wahre Bedeutung von Weihnachten
Es erklangen fröhliche Weihnachtslieder auf den Straßen der Kleinstadt. Jeder trug ein glückliches Lächeln auf den Lippen und Familien feierten die schönste Jahreszeit des Jahres, während der weiße, kalte Schnee vom Himmel auf den Boden fiel. Der Schnee flog wie ein Sturm - unberechenbar und wild. Es war eiskalt, doch strahlte so eine Schönheit aus, welche man nur bewundern konnte.
Kinder machten Geschenke auf und spielten nun mit ihrem neuesten Spielzeug. Eltern saßen auf ihren Stühlen, aßen das köstliche Essen und schauten amüsiert ihren Kindern zu, wie sie spielten. Junge Paare lagen eng aneinander gekuschelt auf dem Sofa und schauten gemeinsam die legendärsten und besten Weihnachtsfilme. Großeltern waren entweder bei ihren Familien oder feierten in Zweisamkeit. Es schien für alle eine wunderbare Zeit zu sein.
Währenddessen spazierte ein Mann durch die Straßen. Seine Fußspuren verteilte er mit jedem Schritt, den er durch den Schnee ging. Auf seinen Lippen lag kein Lächeln und er schaute grimmig aus, so als würde er alles verabscheuen, was sein Blickfeld traf. Sein dicker Mantel hielt ihn körperlich warm, doch sein Herz wurde jedes Mal kälter, als er durch die Fenster blickte und Familien lachen sah. Ihm kamen die Erinnerungen hoch, wie auch er einst so breit gestrahlt hatte an diesem Tag.
Er erinnerte sich, wie seine Frau stundenlang hinter der Herdplatte stand, um das beste Essen zu kochen, das es gab. Sie war eine reine Perfektionistin und konnte kein Gericht nicht perfekt und köstlich aussehen und schmecken lassen.
Seine Tochter spielte mit ihrer Puppe, als er am Abend nach Hause kam. Sie war zu ihm gerannt, warf dabei ihre zärtlichen Arme um seinen Hals. Er hob sie hoch und drehte sich einmal mit ihr um seine eigene Achse herum. Dann blieben sie stehen und hielten sich stumm gegenseitig fest.
Er weiß noch, wie seine erschöpfte Frau zu ihm kam. Sie hatte ihn geküsst und ihm eine schöne Weihnacht gewünscht, während sie ihm ein viereckiges Geschenk in die Hand drückte. Damals schenkte sie ihm ein Fotoalbum, voller unvergesslicher Erinnerungen. Dies sollte dann auch ihr letztes Geschenk an ihn sein. Ihre letzte Weihnacht mit ihm.
Und auch die letzte Weihnachtsnacht, an der er gelacht hatte und glücklich war. Seine letzte Weihnacht, mit seiner Familie.
Drei Jahre waren seitdem vergangen. Drei Jahre ohne seine geliebten Mädchen. Und wenn er sich eins wünschte, dann wäre es, dass er diese Zeit hätte besser nutzen sollen. Doch anstatt dies zu tun, ging er arbeiten. Nun bereute er das. Er bereute es nicht zusammen mit seiner Frau gekocht zu haben oder zwischendurch mit seiner Tochter gespielt zu haben. Er hätte noch mehr schöne Erinnerungen dadurch gehabt, aber es war zu spät. Beide waren fort.
Eine Träne rollte über seine Wange. Sie fühlte sich heiß an, auf seiner eiskalten Haut. Schnell aber wischte er sie weg und schüttelte den Kopf. Er verdrängte die Gefühle von Trauer und Wut, ging stattdessen weiter.
Der Geruch von Lebkuchen stieg in seine Nase, als er an der Bäckerei vorbeiging. Drinnen standen die Betreiber der Bäckerei: Eine dreiköpfige Familie, bestehend aus einer Mutter, einem Vater und dessen Tochter. Es war alles so hübsch und farbenfroh dekoriert, dass er seine Augen verdrehen musste.
Er ging weiter und erhörte ein Lachen aus der Nähe. Der Mann schaute zur Seite, bemerkte wie fröhliche Kinder einen Schneemann bauten, während die Eltern ihnen lächelnd zusahen. Er verschnellerte seine Schritte, zu sehr brachte es ihm die Erinnerung hoch, wie auch seine Tochter gerne Schneemänner gebaut hatte. Und zu traurig war der Gedanke, sie nicht mehr Schneemänner bauen sehen zu können.
Als er eine Gasse sah, ging er in diese rein. Erneut liefen Tränen seinen Wangen herunter. Er hielt sich mit einer Hand an ein nahestehendes Haus fest. Seine Atmung war unkontrolliert, sein Herz raste, wie verrückt. Der Mann atmete tief ein und wieder aus, bis er die Kontrolle über seine Atmung und Herz wiederhatte. Doch ein Gedanke schwebte ihm über seinen Kopf und wollte ihn nicht loslassen: Seine geliebte Familie.
Plötzlich hörte er Schritte. Verwundert drehte er sich um und blickte in große braune Augen. Ein junger Bursche stand in der Dunkelheit. Der Mann schluckte, als er bemerkte, dass diese jungen Augen genauso gebrochen aussahen, wie seine eigenen. Ein Junge, nicht älter als siebzehn, und in solch einer Einsamkeit. Er war einsam, an dem Tag der eigentlichen Familie und Geborgenheit bedeutet. Hatte er keine Familie?, fragte sich der Mann. Er hatte Mitleid gegenüber dem Burschen, zeigte dieses Mitleid aber nicht. Lieber schenkte er ihm ein Lächeln.
Ein unterstützendes Lächeln vom Herzen. Ein Lächeln, welches symbolisiert, dass der Mann weiß, wie sich der Bursche fühlt.
Der Bursche erwiderte das Lächeln.
Und auf einmal merkte der Mann, wie warm es um sein Herz wurde. Auch der Bursche schenkte ihm kein Lächeln aus Mitleid. Sondern Verständnis und Unterstützung. Ein Lächeln vom Herzen, genau wie seines. Auf einmal hatte der Mann Hoffnung, seine Fehler begleichen zu können. Er hatte Hoffnung in der Dunkelheit gefunden.
Hoffnung. Die wahre Bedeutung von Weihnachten.
Olivia Schutschkow, Klasse 9
(Schreibwerkstatt, Lernhaus im Campus)