Mareike Kerouche

Meine Weihnachtsgeschichte

Es war im Jahre 1940. Ich war elf Jahre alt, meine Schwester war zwölf und mein Bruder war 14 Jahre alt. Am Heiligabend ging meine Oma mit meiner Schwester und mir um 18 Uhr zur Kirche.
Im Dorf liefen schon viele Weihnachtmänner herum, ausgestattet mit Rauschebart und Rute. Sie sprachen uns auch mal an, aber wir Kinder hatten Angst und drängten uns ganz dicht an unsere Oma.
Später habe ich erfahren, dass es die Weihnachtsmänner Knechte von den Bauern in unserem Dorfe waren. An Heiligabend hatte unser Gastwirt, Kaufmann und Müller „Heindahln“ in Mulsum Geburtstag. Daher gingen die Weihnachtsmänner - nachdem sie ihre Aufgabe im Dorfe erledigt hatten - zu „Heindahln“ um ihm zu gratulieren und kräftig dem Grog zuzusprechen.
Mein Bruder hat uns damals immer erzählt, dass es keinen Weihnachtsmann gibt. Meine Schwester und ich waren darüber ganz empört. Als an Heiligabend zwei Weihnachtsmänner zu uns in die Stube kamen, sollten wir beten. Meine Schwester betete: „Lieber guter Weihnachtsmann, schau mich nicht so böse an, stecke deine Rute ein, ich will auch immer artig sein“. Ich betete auf plattdeutsch: „Wiehnachtsmann, kiek mi an, lütje Deern bün ick man, veel beden kann ick nich, Wiehnachtsmann vergeet mi nich“. Dann sollte mein Bruder beten, der aber meinte: „Dat gift keen Wiehnachtsmann“.
Die beiden Weihnachtsmänner steckten ihn in einen großen Sack, banden ihn zu und ab ging es damit nach draußen. Meine Schwester und ich liefen weinend hinterher. Auf dem Nachbargrundstück bei der Windmühle Anna Maria ließen sie ihn wieder frei. Ich sagte zu meinem Bruder: „Das hast du von deiner Ungläubigkeit“, denn ein Weihnachten ohne Weihnachtsmann war für mich unvorstellbar.
Marga Tiedemann (90 Jahre)
Mulsum
Foto: Fotolia / Kirill Kredinski


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